Das ständige Gerede über Kofi

Joschka Fischer ist zum vierten Mal geschieden. Aber die Politiker-Ehe taugt ohnehin nicht mehr als Leitbild

Die Kollegin reagiert genervt. Eigentlich ist sie die Expertin für die Fragen von Liebe und Ehe und Scheidung und Alter. Aber jetzt sitzt sie gerade beim Friseur und selbst hier, am klassischen Ort von Klatsch und Tratsch, am Hof des moralischen Schnellgerichts, taugt das Thema wenig: Joseph Fischer, 55, genannt Joschka, von Beruf deutscher Außenminister und Vizekanzler, hat sich am Montag von seiner vierten Ehefrau, der Journalistin Nicola Leske, 34, scheiden lassen. Na und?

Oder anders gefragt: Was lernen wir daraus? Über Fischer? Über seine Exfrau? Über die Ehe an sich? Über den moralischen Zustand der Republik und ihrer Regierung? Die letzte Frage kann wohl am leichtesten beantworten: gar nichts. Denn Erregungspotenzial böte die Fischer-Scheidung nur dann, wenn er sich in der Vergangenheit öffentlichkeitswirksam als Familienmensch hervorgetan hätte, den Wert der Ehe quasi als politische Leitlinie vorgebend, aus seinem Privatleben politisches Kapital schlagend. Hat er aber nicht. Hat er nie. Nebenbei bemerkt: Auch die Vertreter des konservativen Lagers tun das nicht mehr. Edmund Stoiber, allem Anschein nach tatsächlich auf ewig seiner devoten Gattin Karin verbunden, ließ zwar noch vor einigen Jahren Plakate mit Eheglückfotos und der simplen Unterzeile „Die Stoibers“ kleben. Aber seit die CSU mit jener von Theo Waigel ihre eigene Promischeidung hatte, seit selbst die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier öffentlich über ihre derweil beigelegten Beziehungsprobleme gesprochen hat, wissen auch die Schwarzen: Politikerehen sind eben besonderen Belastungen ausgesetzt.

Die Strähnchen müssen trocknen, die Kollegin hat Zeit, zurückzurufen, denn ihr ist doch noch etwas eingefallen. Es sei doch so: Immer habe Fischer jüngere Frauen gehabt, immer habe man sich einvernehmlich getrennt, immer sei doch der Grund gewesen, dass Fischer keine Zeit hatte für die Beziehung. Nun sei es falsch, sich den Außenminister als alternden Geiferer vorzustellen, der sich gern mit jungen schönen Frauen schmückt. Es sei zumindest auch umgekehrt: Die jungen Frauen schmücken sich einige Zeit mit dem mächtigen Älteren. Hat ja was, aus nächster Nähe über die Weltpolitik erfahren zu können, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die man als Gattin eines Taxifahrers kaum treffen würde. Teil der sexuellen Biografie sei das, sagt die Kollegin, und dass man diesen Teil mit dreißig hinter sich gebracht haben sollte: „Irgendwann kann doch niemand mehr das ständige Gerede über Kofi Annan hören.“

Nach dieser Theorie wird Fischer erst dann als dauerhafter Partner interessant, wenn er seine politische Karriere beendet und Zeit für Beziehung und Familie hat. Seine neue Partnerin, wieder jung, eine Studentin, wie es heißt, sei bereits bei ihm eingezogen. Ob diese Beziehung länger hält, hängt also vom Ausgang der nächsten Bundestagswahl ab. Von dieser Stelle und aus dem Friseursalon: Viel Glück! STEFAN KUZMANY