Den Sekt schon mal kalt stellen

Ein Film des Bochumer Ben Redelings befasst sich mit prominenten und weniger bekannten Fans des VfL Bochum. Der unerwartete Erfolg des Vereins durchkreuzte das ursprüngliche Konzept

von HOLGER PAULER

Eine Kamera für 83 Minuten. Interviews, unterbrochen von alten Fotos und den Szenen des letzten Spieltags. Keine Tore, keine Punkte, viel Leidenschaft. Der Film „Wer braucht schon ein Sektfrühstück bei Real Madrid“ des Bochumer Ben Redelings portraitiert den VfL Bochum anhand zwölf mehr oder weniger prominenter Fans. Mit dabei: Autor und Kabarettist Frank Goosen, Christoph Biermann, taz-Kolumnist, Buchautor und Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Schauspieler Uwe Fellensiek, Ex-Profi Frank Benatelli oder Kriminalhauptkommissar Ralf „Lobo“ Wolf, Vorsitzender der Bochumer Jungen, des ältesten Fanclubs Deutschlands.

Klammer des Films ist der letzte Spieltag der Saison 2003/2004. Der VfL Bochum kämpft im Fernduell mit dem großen, verhassten Nachbarn Borussia Dortmund um das letzte internationale Ticket. Der VfL benötigt im Ruhrstadion einen Sieg gegen Hannover 96. Gleichzeitig darf der BVB in Kaiserslautern nicht gewinnen. Mitte der zweiten Halbzeit steht das Spiel auf der Kippe. 1:1 auf beiden Plätzen. Die Zuschauer stehen kurz vor dem Kollaps. In der 76. Minute sorgt Slawo Freier für die Explosion.

Zeit für den VfL-Fan Ben Redelings, das Stadion zu verlassen. Er packt seine Kamera ein, geht nach draußen, macht das Radio an, drückt auf Record und filmt die Kulisse. Ben Redelings lauscht dem Lokalsender 98,5. Reporter und VfL-Urgestein Günther Pohl schreit, lacht, ist dem Weinen nah, als er die Erlösung verkündet. Die ersten Fans stolpern die Stadiontreppen herunter, umarmen sich. Redelings hat einen der größten Erfolge seines Fanlebens sausen lassen – für ein paar Minuten Zelluloid.

Die Idee war lange vor diesem unerwarteten Erfolg entstanden. „Eigentlich sollte es ein Film über den alten VfL sein“, sagt Ben Redelings. Über das ewige Scheitern dieses Vereins. Über die Fans, die trotzdem hin gehen. Doch dann kam der Wandel. „Es gab plötzlich ein neues, untypisches Selbstbewusstsein“, so Redelings. Unter dem Eindruck des Erfolgs entstand ein völlig anderer Blick auf den Verein.

Den Interviewpartnern wurde ein Katalog von 30 Fragen vorgelegt. Sie sollten ihre persönliche Geschichte erzählen. Von Siegen und Niederlagen, längst vergessenen Spielern und Momenten. „Die Erinnerungen kommen mit den Fragen“, sagt Extremläufer Holger Schipper, der seinen Verein auch schon mal zu Fuß zum Auswärtsspiel bei Bayern München begleitet hat. Die Erinnerungen, positive wie negative, sind es, die die Fans aller Vereine für immer vereinen.

Aber warum der VfL? Auf dem Vereins-Wimpel steht die traurige, fast selbstironische Botschaft: Vize-Pokalsieger 1968 und 1988. Die Nachbarn aus Schalke oder Dortmund haben da natürlich mehr zu bieten. „Es ist schlimm, wenn sich gebürtige Bochumer nicht mit ihrem Verein identifizieren“, sagt zum Beispiel Frank Benatelli, der irgendwann die Fan-Kutte gegen das VfL-Trikot eintauschte. Auf dem Spielfeld stand er als Fan, „vor allem gegen Schalke“. Um es den Großmäulern aus der Nachbarschaft zu zeigen. Eine Sichtweise.

„Der Verein hat schon etwas Legendäres“, sagt Holger Schipper. Er bezieht sich auf den ewigen Abstiegskampf, auf die so genannte „VfL-Familie“. Den etwas anderen Profi-Entwurf. Doch jetzt kam der urplötzliche Erfolg, die Qualifikation für den Uefa-Cup. Und vielleicht ist ein Sektfrühstück bei Real Madrid dann doch nicht so verkehrt. Kino-Start ist übrigens heute im Bochumer UCI.

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