Gesteigerte Oberhausener Erwartungen

Rot-Weiß Oberhausen will an die erfolgreiche Vor-Saison anknüpfen. Trainer Jörn Andersen kalkuliert vor dem Nachbarschafts-Derby gegen den MSV Duisburg aber lieber vorsichtig. Aufstieg wird nicht völlig ausgeschlossen

„Bei uns kannste wenigstens noch den Rasen riechen“, sagt Schulz

OBERHAUSEN taz ■ Wenn Ralf Keidel viel Zeit hat, dann schaut der Fußballer des Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen bisweilen beim MSV Duisburg vorbei. Fünf Jahre hat der Mann, der diesen Sommer über die Stadtgrenze wechselte, für den Nachbarverein gespielt – und muss heute schmunzeln, wenn er von Duisburgern gesagt bekommt, dass er die falsche Wahl getroffen habe. RWO sei schließlich nur ein Abklatsch des Traditionsvereins und habe im Vergleich zur neuen MSV-Arena nicht nur das stimmungsärmere Stadion, sondern auch die schlechtere sportliche Perspektive. „Na und“, antwortet Keidel dann, „in Duisburg kocht jeder nur sein eigenes Süppchen.“ Bei RWO gehe es viel familiärer zu. Und was das Sportliche anbelangt, solle man „erst mal den nächsten Sonntag abwarten“.

Jörn Andersen freut sich, wenn er so was hört. Der RWO-Trainer arbeitet daran, den Erfolg aus der Vor-Saison zu wiederholen. Damals spielte sein als Abstiegskandidat gehandeltes Team bis zuletzt um den Aufstieg und erarbeitete sich mit oft schickem Kombinationsfußball einen gewissen Respekt. „Vom Papier her sind wir stärker als in der letzten Spielzeit“, verweist Andersen auf seinen gefestigten Kader und „sinnvolle Neuzugänge“. Neben Keidel kamen mit dem Ex-Kölner Thomas Cichon, dem Brasilianer Chiquinho und dem ungarischen Nationalspieler Peter Bajzat Routiniers, die eine Bereicherung versprechen. Andersen glaubt, dass der Aufstieg im Mai verpasst wurde, weil die Alternativen fehlten.

Ob es jetzt zum großen Sprung reicht, will der Norweger nicht prognostizieren. „Nicht nur Oberhausen, die ganze Liga ist stärker geworden“, sagt Andersen, der mit Kalkül vorsichtig agiert. Denn die Erwartungen im Umfeld seien deutlich gestiegen. Regelmäßig werde der frühere Torjäger auf der Straße darauf angesprochen, dass es ja nun langsam Zeit für das Bundesliga-Comeback wäre. Die Gefahr, in so einer Situation den Boden unter den Füßen zu verlieren, sei stets vorhanden. „Aber Risiko gehört zum Geschäft. Wir sind dabei, in Oberhausen langsam etwas aufzubauen“, sagt Andersen, der nach den ersten beiden Saisonspielen, in denen RWO jeweils ein 1:1 holte „halbwegs zufrieden“ ist.

Für Skeptiker, die entgegnen, dass Oberhausen bis letzten Mai ständig über den Verhältnissen gespielt habe und jetzt von der Realität eingeholt werde, hat der Mann, der 1990 im Dress von Eintracht Frankfurt Bundesliga-Torschützenkönig wurde, kein Verständnis. „Hinter den Kulissen wird so was behauptet. Diese Leute haben aber keine Ahnung von Fußball“, entgegnet der Trainer – und fügt fast trotzig an, dass zwischen Platz eins und neun alles möglich sei.

Hinzu käme die große Möglichkeit, sich im DFB-Pokal der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Mitte September schaut der VfB Stuttgart zur zweiten Hauptrunde in Oberhausen vorbei. „Für den Verein ist das eine tolle Sache, ich gehe davon aus, dass es richtig voll wird“, hofft Andersen, der das Thema Zuschauerzahlen im Alltag allerdings lieber verdrängt. Ständig hatte er im Vorjahr getrommelt, doch trotz des tabellarischen Höhenfluges kamen selten mehr als 6.000 Fans ins weitläufige Stadion Niederrhein. Mittlerweile sei ihm die Unterstützung von den Rängen egal. Er habe schon alles erlebt und glaubt zu wissen, dass „es für guten Fußball unerheblich ist, ob 6.000 oder 60.000 Menschen zusehen.“

RWO-Präsident Hermann Schulz ist das ohnehin einerlei. Der Mann, der seit 1979 mit kleinen Unterbrechungen den Verein regiert, viel Geld in sein Lebenswerk pumpte und in den letzten sechs Jahren sechs Trainer verschliss, werden drei spezielle Vorlieben nachgesagt: Zigaretten, Frikadellen und Fußball. Im heimischen Stadion bekommt er alles und im Erfolgsfall schmeckt ihm eins so gut wie das andere. „Vor einem Jahr haben uns alle tot geschrieben, jetzt hat jeder Respekt vor uns“, sagt Schulz, in dessen Worten eine große Genugtuung zu hören ist. Mit 5,2 Millionen Euro hat RWO für Zweitliga-Verhältnisse erneut einen Mini-Etat, dafür genehmigte der Oberhausener Sportausschuss aber eine Modernisierung der Toiletten-Anlage im Stadion. „Wir haben mit kleinen Mitteln Erfolg“, meint Schulz, der stolz darauf ist.

Auch deshalb kommt der Vereins-Boss, der sein Geld in der Baubranche verdient, nicht auf die gängige Idee, etwa eine neue Arena hochzuziehen. „Unsinn, da kommen dann solche Hallen bei rum, in denen du nicht mal auf den Boden aschen darfst. Bei uns kannste wenigstens noch den Rasen riechen“, sagt Schulz, der glaubt, dass man im Falle eines eventuellen Aufstiegs „die eigenen Zuschauer auch nicht mehr braucht“. Dann nämlich würden die Gäste aus Schalke und Bayern ausreichen, um den Etat zu decken. ROLAND LEROI