Ossi-Star klappert Nordstern ab

CDU-Bundeschefin Angela Merkel besucht auf ihrer Sommertour pflichtgemäß auch das Ruhrgebiet. Doch zwischen Zechentürmen und Centro-Shoppern fremdelt die mögliche Kanzlerkandidatin

AUS GELSENKIRCHEN UND OBERHAUSENMARTIN TEIGELER

Muffelig, als müsse sie einen schweren Bergschaden begutachten, erscheint die CDU-Vorsitzende Angela Merkel gestern auf Zeche Nordstern in Gelsenkirchen. Mit müdem Desinteresse lässt sich die mögliche Kanzlerkandidatin aus Ostdeutschland das vor 11 Jahren abgewickelte Industriedenkmal zeigen. Während CDU-Oberbürgermeister Oliver Wittke – vorgefahren im Wahlkampf-VW-Beetle (Motto: „Wittke gibt Gas!“) – mit Schaulustigen und Journalisten scherzt, hetzt Merkel durchs Besuchsprogramm und stellt den Gastgebern kaum Fragen: „Warum heißt das ‚auf‘ Nordstern“?

Sommerreise. Angela Merkel reist derzeit durch Deutschland. Vorgestern Sachsen-Anhalt, gestern Norddeutschland, heute das Ruhrgebiet. Als Entourage folgt ihr ein Dutzend Kamerateams fast aller Fernsehsender. Doch Merkels schlechte Laune erlaubt keine Nachfragen zum Unionsstreitthema Kopfpauschale. „Jetzt nicht“, zischt sie einen Reporter an. Dabei soll die Rundfahrt doch nur schöne, unpolitische Bilder im TV-Sommerloch produzieren. Natürlich unterstützt die CDU-Chefin dabei mit Vorliebe Parteifreunde im Wahlkampf. Gut vier Wochen vor der NRW-Kommunalwahl darf sich neben Oliver Wittke auch Essens CDU-Rathauschef Wolfgang Reiniger und der Oberhausener OB-Kandidat Daniel Schranz mit „Ängie“ fotografieren lassen.

Bei dem politischen Sight-Seeing bekam Merkel gestern nur die „Leuchttürme“ und Erfolgsprojekte im Revier gezeigt – das „neue Ruhrgebiet“, wie OB Wittke sagte. Doch das mittlerweile als Hauptverwaltung der Treuhandstelle für Bergmannswohnungen dienende Hauptgebäude auf Zollverein interessiert Merkel eher nicht. Knapp 20 Minuten lässt sich der politisch-mediale Tross Zeit für die Führung. Dann geht es weiter zur Anlegestelle am Rhein-Herne-Kanal. Das „WAZ-Schiff“ wartet.

Auf einem von der Tageszeitung gecharterten Ausflugsboot gibt es ein politisches Bordprogramm mit Merkel. Eine halbe Stunde lang darf die Konservative im Hosenanzug ein Grundsatzreferat halten. Die Tagesausflügler auf dem Kahn klatschen kaum, kleine Mädchen essen derweil Eis-Creme. OB Wittke gefällt es trotzdem: „Ist doch schöner als Straßenbahnfahren so eine Schiffsfahrt.“

Ankunft in Oberhausen. Anlegestelle „Marina“ im Einkaufszentrum Centro. Die Chance auf ein Bad in der Menge für Merkel. Eine lange Schlange, hunderte Menschen warten vor der Kasse eines neuen Unterwasser-Zoos. Kanzler Schröder hätte sich diese Gelegenheit wohl kaum entgehen lassen, hätte Hände geschüttelt und Kleinkinder geherzt. Und was macht Merkel? Sie geht an der Menschenmenge vorbei, lächelt verlegen und sucht nur ein Mal das Gespräch. „Wie lang warten Sie denn schon hier“, fragt Merkel. „40 Minuten“, sagt eine Frau. Knappe Antwort von Merkel: „Dann viel Spaß.“ Dann schreitet sie die Kneipenmeile ab. Ein Passant bleibt stehen und stößt einen Kumpel wegen der Promi-Besucherin an: „Wo sind die Eier?“