zwischen den rillen
: Der Herr ist mit ihnen

Auf ihren neuen Alben begegnen Moses Pelham und Samy Deluxe ihrem drohenden Abstieg mit einem festen Glauben

Wenn gar nichts mehr hilft, muss der liebe Gott ran. Auch im Rap. Gerade im Rap. Nur hierzulande war das weitgehend anders – bis jetzt jedenfalls. Denn nun entdecken mit Samy Deluxe und Moses Pelham zwei große alte Herren des deutschen HipHop auf ihren neuen Alben den himmlischen Beistand. Der spielte für die stilprägenden Kollegen aus Übersee traditionell schon immer eine große Rolle, war aber in Deutschland bislang den Adaptionen des R&B vorbehalten, allen voran Xavier Naidoo.

Hinter diesem stand Pelham, genauso wie hinter dem ähnlich gelagerten Soul-Projekt Glashaus, mit dem er allerdings nie wieder jene kommerziellen Höhen erreichte wie mit Naidoo. Aber wenn du denkst, es geht nicht mehr, kann man es ja mal mit Beten versuchen: „Schnaps für alle“ forderte Pelham auf seiner ersten Soloplatte, gleich im ersten Song des Nachfolgers „Geteiltes Leid 2“ verkündet er stattdessen „Ich brauch nichts außer Gott“. Fragt sich nur, ob der Herr im Himmel sich allzu wohl fühlt in der Gesellschaft all der Fotzen und Bitches, Schwänze und Mutterficker, die sich ebenfalls in den von Pelham wie gewohnt leicht hessisch eingefärbt und stets missmutig herausgespuckten Raps tummeln.

Weitere Metaphern immerhin bemühen sich um moralisch unbedenklichere Assoziationen: Die Hörspielkassetten von „TKKG“ und den drei „???“ sind ebenso Teil des seltsamen Pelham-Universums wie Mr. Bean und die Bremer Stimmungskanonen Klaus und Klaus. Aber in guter alter Rödelheim-Manier stilisiert sich Pelham wieder zum einsamen Wolf, der sich mit dem Rest der Welt anlegt von Marius Müller-Westernhagen bis Puff Daddy. Viel Feind, viel Ehr. Aber auch der wütendste Mann macht mal Pause und schmust sich einen Track zusammen wie die aktuelle Single „Ein schöner Tag“.

Auch Kollege Samy Deluxe hat den Herrgott gefunden. Der Hamburger ist zwar immer noch „Nigger mit ’ner Attitude“ und wohl der Rapper mit dem elegantesten deutschen Flow, aber auf seinem zweiten Soloalbum „Verdammtnochma“ kann das notorische Großmaul erstmals nicht umhin, seine verkündete Großartigkeit einer übergeordneten Distanz zuzuschreiben. „Gott sei Dank“ ist nicht nur eine selten lockere Zungenübung über einem flockigen G-Funk-Beat, sondern vor allem die Ehrerbietung gegenüber „einer höheren Macht“: „Dank Gott dafür, dass mein Flow so rund ist.“

So viel Demut ist neu und womöglich ja der Vaterschaft geschuldet: Samy Deluxe’ mittlerweile schon dreieinhalbjähriger Nachwuchs spricht im Intro des Albums und spielt auch sonst eine prominente Rolle in den Texten. Papa scheint gewachsen an der neuen Verantwortung und beschränkt sich längst nicht mehr nur auf das Rühmen der eigenen Reimfähigkeiten und der stilvollen Diffamierung konkurrierender Rapper, sondern offenbart ungeahnte Qualitäten im bisher verhassten Storytelling. Vor zwei Jahren setzte Samy Deluxe mit „Weck mich auf“ noch auf eher plakativen Politrap, diesmal berichtet er von seinen Depressionen. Mit „Blick zurück“ und „Generation“ versenkt er sich ins Autobiografische, erzählt sein Leben, das exemplarische Leben eines schwarzen Deutschen, und liefert so einen Beitrag zu einer bislang vernachlässigten Geschichtsschreibung dieses Landes.

Die Battle allerdings bleibt Brot und Butter in Songs wie „Der Guteste“ oder „Beat Box Skit“, aber so schnell kann’s gehen: Eben noch der heißeste Scheiß seit der Erfindung des Sprechgesangs in Deutschland, findet sich Samy Deluxe plötzlich wieder als Auslaufmodell des deutschen Rap. Andere, allen voran Sido aus Berlin, sind mit ihren kontroversen Texten momentan die größere Sensation. Ähnlich geht es Moses Pelham, auch wenn der es noch nicht wahrhaben will und tapfer in Richtung Hauptstadt meckert. Einer immerhin aber glaubt noch an den Mann, den seine Mutter Moses nannte: „Gott liebt mich“.

THOMAS WINKLER

Moses Pelham: „Geteiltes Leid 2“(3p/ Intergroove); Samy Deluxe:„Verdammtnochma“ (EMI)