steffen grimberg
: Vom publizistischen Neigungswinkel

Die „Berliner Zeitung“ interviewt wiederKlaus Wowereit.

Vor einiger Zeit hatte diese Seite Anlass, mal wieder auf einen misslichen Umstand im Verhältnis zwischen Politik und Journalismus hinzuweisen: Die Berliner Zeitung hatte sich beim Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), beschwert, weil der Vorbehalte signalisiert hatte, dass ihn ein bestimmter Redakteur des Blattes zum Thema Hartz IV und die Folgen für die Hauptstadt interviewen wollte. Denn dieser Redakteur, beheimatet in der Lokalredaktion der Berliner Zeitung, führt eine durchaus spitze Feder gegen den Landeschef. Und das fand der gar nicht gut so. („Wer darf fragen?“, taz vom 4. 8.)

„Für mich gilt der Grundsatz, dass wir beim Interview Herr über die Fragen sind – auch darüber, wer sie stellt“, schrieb damals Chefredakteur Uwe Vorkötter an den Regierenden, und dass er entschieden habe, „unter diesen Umständen auf das Gespräch zu verzichten“. Und das war auch gut so. Tusch, Applaus, Vorhang.

Am vergangenen Montag fand sich dann ein Interview in der Berliner Zeitung. Mit Klaus Wowereit. Geführt von – nein, nicht dem umstrittenen Lokalredakteur. Sondern vom Chef persönlich. Und der stellvertretenden Chefredakteurin. Immerhin, das Thema war noch gut lokal und ganz das alte: Hartz IV und die Folgen für Berlin. Entspannung nimmt manchmal merkwürdige Formen an. Und nur höhnische Kommentatoren würden angesichts einer solchen Gesprächsebene von Häuptling zu Häuptling von einem höflichen Einknicks sprechen.

Vielleicht kann man all dem ja auch etwas zutiefst Menschliches abgewinnen: Keiner ist gern allein. Auch publizistisch nicht. Wowereits Vorgänger Eberhard Diepgen (CDU) konnte immer auf Springers Berliner Morgenpost und die ebenfalls konzerneigene Berliner Boulevardschnauze B.Z. zählen. Für Wowereit sieht’s dagegen duster aus. Die liberale Hauptstadtpresse verweigert sich. Oder schickt Chefredakteure. Und der Vorwärts erscheint nur noch monatlich. Harte Zeiten für die Liebe.