CSU-Jugend versaut CSU-Wahlkampfendspurt

Die betrügerischen Machenschaften innerhalb der Münchner JU und CSU beschäftigen Edmund Stoiber auch kurz vor der Wahl mehr als seine politischen Gegner. Jetzt will der CSU-Vorsitzende sogar die Parteisatzung ändern lassen

MÜNCHEN taz ■ Wahlfälschung, Mitgliederkauf, Intrigen, Erpressung. Wenn die Münchner CSU und ihre Nachwuchsorganisation „Junge Union“ in den vergangenen Monaten von sich reden machten, dann fast ausschließlich mit negativen Schlagzeilen. Auch in der Woche vor der bayerischen Landtagswahl am Sonntag werden fast täglich neue Details eines Skandals bekannt, der im Frühjahr im Münchner Südosten begann. Damals waren die Wahl eines Kreis- und eines Ortsvorsitzenden offenbar durch das plötzliche Aufbieten bis dahin unbekannter CSU-Mitglieder manipuliert worden.

Zuletzt mussten der CSU-Stadtrat Christian Baretti und der Münchner JU-Chef Rasso Graber auf Druck der Münchner CSU-Chefin und Strauß-Tochter, Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier, ihre Ämter niederlegen. Gegen beide Jungpolitiker wird wegen der Fälschung von Mitgliedsanträgen und der Zahlung von Geld für die Anwerbung von Neumitgliedern ermittelt. Baretti wird zudem verdächtigt, seinen Eltern beim ordnungsgemäßen Verbuchen und Versteuern von Schmiergeldern zur Hand gegangen zu sein, die in einem Krankenkassen-Korruptionsskandal geflossen sein sollen. Die Eltern sitzen in Untersuchungshaft. Vor wenigen Tagen wurden bei einem 22-jährigen Mittäter Tonbänder beschlagnahmt, die belegen sollen, wie sehr vor allem führende Mitglieder der Münchner JU in den Skandal verstrickt sein sollen.

Nun ist dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber der Kragen geplatzt: In einem Brief an die Satzungskommission der CSU fordert er eine schnelle Änderung der Parteisatzung, um „Vorkehrungen zur Unterbindung fragwürdiger Praktiken“ zu treffen, die „jenseits der strafrechtlichen Relevanz nicht hinnehmbar sind“. Solch hektische und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten in Sachen innerparteilicher Demokratie unmittelbar vor einer Landtagswahl zeigen, dass Stoiber endlich die Gefahr erkannt hat, die innerhalb der eigenen Partei droht. Lange hatte der Parteivorsitzende den Vorgängen direkt vor der Haustür seiner Staatskanzlei tatenlos zugesehen, und auch Monika Hohlmeier griff zunächst nur so zögerlich durch, dass die Süddeutsche Zeitung nach einem sehr halbherzigen Machtwort spottete, nun habe die neue CSU-Bezirksvorsitzende ja mal richtig „aufs Tischchen gehauen“.

Doch die Machenschaften der meist jungen CSU-ler drohten zusehends, auch Ministerpräsident Stoiber und seine potenzielle Nachfolgerin Hohlmeier zu beschädigen. So wird im Zuge der Ermittlungen immer deutlicher, dass auch der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Haedke tief in die Betrügereien verwickelt scheint. Er galt bislang aber nicht nur als eine der – ganz wenigen – hoffnungsvollen Nachwuchskräfte innerhalb der Partei, sondern auch als enger politischer Vertrauter von Monika Hohlmeier. CSU-Stadtrat Baretti wiederum zählte vor den Bundestagswahlen 2002 zum Kreis der Redenschreiber für den damaligen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber.

Nun verdächtigt die Münchner SPD auch noch den altgedienten CSU-Landtagsabgeordneten Heinrich Traublinger, an den Schiebereien beteiligt gewesen zu sein – er profitierte bei seiner erneuten Nominierung als Landtagskandidat erheblich von den Schiebereien im Münchner Südosten. Als Präsident der bayerischen Handwerkskammer war Traublinger für Edmund Stoiber bislang ein wichtiger Verbindungsmann zum einflussreichen Mittelstand. Möglich, dass sich das nach der Wahl ändert – falls Edmund Stoiber dann immer noch ernsthaft durchgreifen will.

JÖRG SCHALLENBERG