Schröder lässt Bayern Bayern sein

Der Kanzler hat alles dafür getan, dass die bayerische SPD bei der Landtagswahl ein Debakel erleiden wird. Ganze zwei Mal ließ er sich bei seinen Genossen blicken. Schröder hat ohnehin Größeres im Sinn. Er ordnet alles seiner Wiederwahl 2006 unter

aus Berlin JENS KÖNIG

Aufgetreten im monatelangen Wahlkampf der bayerischen SPD ist der Bundeskanzler – zweimal. Den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Franz Maget lobend erwähnt hat der Vorsitzende der Bundes-SPD dabei – einmal. Den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber angegriffen hat Gerhard Schröder in seinen Reden – gar nicht. Nicht ein einziges Mal.

Der Kanzler hat also, das kann man mit Fug und Recht behaupten, alles in seiner Macht Stehende getan, damit die CSU die Landtagswahl in Bayern am Sonntag haushoch gewinnt und die SPD mit irgendwas um die 20 Prozent ein historisches Debakel erleidet.

Wenn man Schröder wohlgesinnt ist, würde man entschuldigend ins Feld führen, er habe von vornherein gewusst, dass die SPD in Bayern mit der Politik der Bundesregierung im Moment nun wirklich keinen Blumentopf gewinnen kann, und er habe sich deshalb so zurückgehalten. Zu dieser kleinen Notlüge greift aber nicht mal die Berliner SPD-Führung selbst. Hier räumen die Spitzenleute, natürlich ohne ihren Namen in der Zeitung lesen zu wollen, unverblümt ein, dass Hilfe für die hoffnungslos schwache Bayern-SPD rausgeschmissenes Geld wäre. Wozu sollen wir den Kanzler, unseren besten Mann, verheizen, wenn am Ende sowie immer die CSU gewinnt?, fragen sie im Willy-Brandt-Haus. Und so haben die Genossen in Berlin natürlich fassungslos mit angesehen, wie die Genossen in München angesichts katastrophaler Umfragewerte vor drei Wochen beschlossen, jetzt nur noch auf die Verhinderung einer Zweidrittelmehrheit der CSU zu setzen.

Diese gegenseitige Abneigung wird in der SPD schon seit Jahrzehnten gepflegt, und die Partei nimmt das achselzuckend hin. Das verkorkste Verhältnis zwischen Bundes-SPD und ihrer Filiale in Bayern kann man sehr schön anhand einer kleinen Episode illustrieren, die die Süddeutsche Zeitung, mit den bayerischen Verhältnissen bestens vertraut, dieser Tage hervorgekramt hat. Schröder saß 1998, damals noch nicht Kanzler, sondern erst Kanzlerkandidat, in einer Münchner Gaststätte und sah gelangweilt einem Auftritt im bayerischen Landtagswahlkampf entgegen. Also rief er kurzerhand in der Staatskanzlei an und sagte, er sitze gerade in München rum und solle eigentlich Wahlkampf für die SPD machen, aber das habe ja ohnehin keinen Sinn. Ob Stoiber nicht auf ein Bier vorbeikommen wolle, von Ministerpräsident zu Ministerpräsident sozusagen. Stoiber kam nicht – die SPD verlor trotzdem mit 28,7 Prozent.

Schröder wird die neuerliche Katastrophenbotschaft aus Bayern am Sonntagabend natürlich nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Sie heizt die ohnehin explosive Stimmung in der SPD nur noch weiter an, und sie verstärkt die Unzufriedenheit vieler Genossen mit der Politik der Bundesregierung und ihrer Parteispitze. Aber das Ergebnis der bayerischen Sozialdemokraten wird den Kanzler nicht davon abhalten, seinen mit der Agenda 2010 eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Er ist davon überzeugt, mit den schmerzhaften sozialpolitischen Reformen das Notwendige und damit auch das Richtige zu tun. „Wir müssen das machen, selbst wenn wir dafür nicht wiedergewählt werden“, hat Schröder seinen Ministern schon bei der Klausur in Neuhardenberg gesagt.

Enge Mitarbeiter des Kanzlers berichten, ihr Chef habe in letzter Zeit einen regelrechten Tunnelblick entwickelt. Sein Ziel sei die Wiederwahl 2006. Mit diesem ersten selbst errungenen Wahlsieg – 1998 war es ein Erfolg des Kohl-Protests und 2002 Zufall – wäre Rot-Grün nicht länger nur eine historische Episode. Schröder denkt in solchen Dimensionen, da gerät eine verlorene Landtagswahl schon mal zu einer vernachlässigbaren Größe.

Ohnehin ist Schröder seit seinem überraschenden Wahlsieg 2002 mit einem Panzer aus Selbstüberzeugung und innerer Härte ausgerüstet. Er, nur er glaubt zu wissen, wie man Wahlen gewinnt. Die Meinung von Parteifreunden, Demoskopen, Journalisten interessiert ihn nicht. Das Volk entscheide über seinen Erfolg, sagt Schröder.

Einer seiner Vorgänger hat das so ähnlich gesehen. „Die Hunde können bellen, wie sie wollen, die Karawane zieht weiter“, pflegte er zu sagen. Der Mann heißt – Helmut Kohl.