Tod durch Misshandlung

Verbände ziehen traurige Bilanz zum Weltkindertag: In Deutschland sterben jede Woche zwei Kinder an Misshandlung, eine Million Minderjährige leben von Sozialhilfe

BERLIN ap/taz ■ Zwischen 1995 und 1999 sind in Deutschland 523 Kinder an körperlicher Misshandlung gestorben, das sind im statistischen Mittel zwei Todesfälle pro Woche. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie über Kindesmisshandlung in reichen Staaten, die das UN-Kinderhilfswerk Unicef aus Anlass des am Sonntag stattfindenden Weltkindertages gestern in Berlin vorstellte. In den USA starben pro Woche sogar 27 Kinder. Hinter den Todesfällen verberge sich eine sehr viel höhere Zahl von Misshandlungen, so Unicef-Forschungsdirektorin Marta Santos-Pais. Für die Bundesrepublik wird deren Zahl auf 15.000 Fälle im Jahr geschätzt.

Mögliche Ursachen für die Gewalt an Kindern sehen die Forscher in Armut, Alkohol- und Drogenmissbrauch und dem gesellschaftlichen Gewaltpotenzial. „Je schwieriger die wirtschaftliche Situation von Eltern, desto höher das Risiko, dass die Kinder misshandelt werden“, sagte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Dietrich Garlichs.

Vor zunehmender Kinderarmut warnte gestern auch der Deutsche Kinderschutzbund. „Kinder stellen fast die Hälfte der Sozialhilfeempfänger. Kinder werden ausgegrenzt“, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Eine Million der 15 Millionen Minderjährigen müssten mit einem Sozialhilfesatz von 141 bis 267 Euro monatlich auskommen. Bei einer Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe kämen noch einmal rund 500.000 dazu, meint Hilgers. Weitere 2 Millionen Kinder leben nach Angaben des Kinderschutzbundes an der Grenze zur Sozialhilfe.

Der Kinderschutzbund befürchtet, dass die Lage für Kinder noch schlechter wird. Sozialhilfe und Arbeitslosengeld kämen unter Umständen nie bei den Kindern an, wenn sie den Eltern als Pauschale und nicht wie derzeit in Form von Gutscheinen ausgezahlt würden.

Wie eine Studie des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden ergab, brauchen außerdem immer mehr Familien professionelle Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder. Im vergangenen Jahr nahmen 37.800 Familien sozialpädagogische Hilfe in Anspruch, 11 Prozent mehr als im Jahr 2001. In fast zwei Drittel der Fälle wurde die Erziehungshilfe vom Jugendamt oder anderen öffentlichen Stellen in die Wege geleitet.

LAURA MÜLLER