Bereit zum neuen Krieg

aus Bouaké und AbidjanHAKEEM JIMO

Die Elefanten dürfen nicht Fußball spielen. Anakondas, Löwen und Geparden machen das Turnier unter sich aus. Von Elefanten, dem offiziellen Wappentier der Elfenbeinküste, will hier keiner mehr etwas wissen. Die gehören zur anderen Seite. Hier in Bouaké ist Rebellengebiet.

Petit Garçon spielt mit der Nummer 7 auf dem Trikot. Wie einst David Beckham bei Manchester United. „Kleiner Junge“, wie ihr Kämpfername übersetzt heißt, ist eine junge Frau von 18 Jahren. Sehr mädchenhaft wirkt sie nicht mit ihren kurz geschorenen Haaren. Dafür trägt sie ein Kalaschnikow-Gewehr und sagt, sie habe sich schon als Kind nie für Puppen interessiert.

Früher verkaufte sie an der Straße Autoersatzteile, Ziegelsteine und Diesel. Dann kam am 19. September 2002 die Rebellion nach Bouaké. „Ich habe mein Vagabunden-Händlerdasein aufgeben und mich dem Aufstand angeschlossen“, berichtet Petit Garçon. Als die „Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste“ (MPCI) Kämpfer suchte, belegte sie unter knapp 200 männlichen Bewerbern den 112. Platz. So kam sie zur Einheit der Geparden. Und die haben nun das Fußballturnier zwischen den verschiedenen MPCI-Brigaden gewonnen.

Aber noch nicht den Bürgerkrieg. Der Hauptelefant, Präsident Laurent Gbagbo, sitzt noch immer auf dem Präsidententhron der Elfenbeinküste. Aber er regiert nur noch das halbe Land. Und nach einem Jahr Aufstand gegen ihn sieht die Bilanz düster aus: Mehrere tausend Tote; Todesschwadrone in der Hauptstadt Abidjan; Massengräber auf beiden Seiten; mehrere hunderttausend Vertriebene. Viel besser ist es nicht geworden, seit sich die Konfliktparteien im Januar auf eine gemeinsame Regierung einigten (siehe Kasten).

Zündstoff bietet dabei immer wieder die Besetzung der Schlüsselministerien für innere Sicherheit und Verteidigung. Die jüngste Krise schürte Gbagbo Ende letzter Woche: Er besetzte zwei Ministerposten, die eigentlich einem Nationalen Sicherheitsrat aus allen Kriegsparteien unterstellt sind, im Alleingang.

„Dieser Präsident versucht alles, um die Umsetzung der Verträge von Marcoussis zu vermeiden“, schimpft dazu Cissé Sindou, ein MPCI-Führungsmitglied. „Er tut so, als sei er der einzige Mensch in der Elfenbeinküste. Vielleicht glaubt er, er sei bereit für Krieg. Sollte er es versuchen, wird er sehen, was er davon hat.“

Steht die Elfenbeinküste also ein Jahr nach Ausbruch der Rebellion wieder an der Schwelle zum Krieg? Staatschef Gbagbo benutzt eine kriegerische Sprache, die zeigt, dass er nicht gewillt ist, das gespaltene Volk zu versöhnen. Bei seiner Rede vom Sonntag, mit der er auf die Ablehnung der von ihm ernannten Minister durch die Rebellen reagierte, forderte er seine Leute dazu auf, ihre Gewehre zu putzen.

„Wir sind es leid“

„Ich bin es leid“, sagte Gbagbo, dessen Regierung in den letzten Wochen Waffen für 30 Millionen Euro gekauft haben soll. Und an die Rebellen gerichtet: „Macht, was ihr wollt. Wir werden schon sehen.“ Die Redewendung Nous sommes fatigués – „Wir sind es leid“ – ist das geflügelte Wort dieser Tage in Abidjan, Hochburg des Präsidenten.

Abidjan, in den 80er-Jahren blühende Metropole und Anziehungspunkt für Migranten aus ganz Westafrika, ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst. Kurzarbeit regiert. Viele Ivorer haben ihre Jobs verloren. Die „Afrikanische Entwicklungsbank“, wichtigste Finanzinstitution des Kontinents, hat ihre Zentrale nach Tunesien verlegt. Viele Dienstleistungsbetriebe, Boutiquen und Restaurants bleiben geschlossen. Die einzigen Ausländer, die kommen, sind französische Truppen. Mittlerweile sollen es rund 5.000 sein, obwohl Frankreich einen Teil seiner Aufgabe der Überwachung des geltenden Waffenstillstands an eine westafrikanische Eingreiftruppe abgegeben hat. Zusätzlich 1.000 sind gerade eingetroffen, weil nach acht Monaten französische Schulen in Abidjan wieder ihre Pforten öffneten.

Wer in dieser Zeit nicht hinter Gbagbo steht, hält sich bedeckt. Nach wie vor fühlen sich viele Menschen von den Milizen der Gbagbo-Partei FPI (Ivorische Volksfront) und Todesschwadronen eingeschüchtert. Wer in Abidjan Freude nach Gbagbos Ministerernennungen erwartete, wurde enttäuscht. Am Montag standen zwar die Menschen dicht gedrängt vor den großformatigen Anzeigen mehrerer Tageszeitungen: „Der Frieden ist endlich da.“ Doch dem Jubel auf Papier folgte kein Jubel auf der Straße. Die Menschen wussten, das eher neuer Streit blüht. Und sie wollen vor allem eines: Dass die Rebellion und der Krieg bald vorüber sind. Auch um den Preis, dass Gbagbo weitermacht.

Verlierer dabei sind die mehreren Millionen westafrikanischen Ausländer in der Elfenbeinküste, vornehmlich aus Mali und Burkina Faso. Sie sind weiterhin Zielscheibe des Gbagbo-Regimes. Hunderttausende Migranten, vor allem Landarbeiter, sind inzwischen in Massentransporten in ihre Ursprungsländer gebracht wurden.

Das rächt sich nun. Der in den kommenden Monaten beginnenden Kakaoernte wird wegen Arbeitskräftemangel ein Minusrekord vorhergesagt. Aber es ist der Kakao, der die Elfenbeinküste als weltweit größter Produzent reich machte. Da der Transitverkehr aus der Elfenbeinküste in die Binnenländer ausbleibt, leidet auch die Aktivität in den Hafenstädten Abidjan und San Pedro enorm. Die EU-Vertretung in Abidjan sagt für dieses Jahr ein Minuswachstum von drei Prozent voraus – das vierte Jahr Rezession in Folge.

Im Rebellengebiet in der Nordhälfte des Landes sieht die Lage anders aus. Die Wirtschaft hier ist von bäuerlicher Landwirtschaft geprägt, ist weniger exportabhängig und damit krisenresistenter. Bouaké galt zwar als Industriestadt der Elfenbeinküste, und davon ist wenig geblieben. Aber die Menschen fühlen sich freier als in Abidjan. Trotz Krise.

Frei und verarmt

Ein aus Mali stammender Benzinverkäufer am Hauptkreisel im Zentrum von Bouaké sagt: „Vor der Rebellion wurden wir tagtäglich von den Polizisten und Gendarmen schikaniert. Aber trotz des ständigen Bezahlens an die Sicherheitskräfte, die es auf uns Einwanderer abgesehen hatten, kam auch Geld herein. Jetzt sind wir frei – aber Geld zu verdienen, ist ein Problem“.

Dennoch herrscht auch in Bouaké Ausnahmezustand. Schulen haben geöffnet, aber keine Behörden. Die Rebellen fahren in beschlagnahmten Privatautos. Die Nummernschilder sind alle gleich: MPCI. Wegelagerei ist üblich. Jeder Passant zahlt an den Kontrollpunkten umgerechnet 15 Cent. Zwischen Bouaké und der Waffenstillstandslinie, einer Strecke von 15 Kilometern, finden sich acht Posten.

Petit Garçon, die Rebellenkämpferin, hat sich mit ihrer Einheit in der Zollstation von Bouaké niedergelassen. Aber Waren kamen hier seit Kriegsbeginn nicht mehr vorbei. Und sie hat ohnehin andere Sorgen. „Ich traue Präsident Gbagbo kein Stück über den Weg“, sagt sie. „Ein Präsident, der Todesschwadronen rausschickt, um unsere Eltern und Freunde zu töten? Nein, ich traue ihm nicht.“