berlin, paris und die eu
: Was Europa nicht nutzt

Eine alte EU-Bauernregel lautet: Wenn der deutsch-französische Motor brummt, kommt die EU richtig in Fahrt. Also müssten alle, die Europa wohl wollen, Treffen wie die gemeinsame Kabinettssitzung gestern in Berlin begrüßen. So rund ist der Motor lange nicht mehr gelaufen.

Kommentarvon DANIELA WEINGÄRTNER

In Brüssel hat sich ein Konvent monatelang mit der Frage herumgeschlagen, wie eine Union aus 25 und mehr Mitgliedern so aufgebaut werden kann, dass sie handlungsfähig bleibt. Auch der Konvent kam um die Erkenntnis nicht herum, dass in einem so großen Kreis mit derart unterschiedlichen Politiktraditionen und Wirtschaftsdaten, wie die EU es demnächst sein wird, verstärkte Zusammenarbeit der Staaten erleichtert werden muss. Deshalb wird im neuen Verfassungsentwurf die Latte für Sonderwege tiefer gelegt, als es im Nizza-Vertrag vorgesehen war. Eine gemeinsame Rüstungsagentur für Belgien, Luxemburg, Deutschland und Frankreich? Warum nicht. Ein deutsch-französisch-holländischer Verbund der Krankenkassen, der dem Versicherten einen Arztbesuch in diesen drei Ländern ohne bürokratischen Aufwand ermöglicht? Grenzgänger würden aufatmen. Eine italienisch-spanisch-britische Antiterror-Initiative? Für viele sicher ein gruseliger Gedanke – doch im Rahmen verstärkter Zusammenarbeit ebenfalls legitim.

Der demonstrativ zur Schau gestellten deutsch-französischen Allianz allerdings fehlt ein wichtiges Element, um als Vorzeige-Modell künftiger Zweckbündnisse innerhalb der Union zu taugen: Sie ist nicht offen für alle, die gern mitmachen würden. Als die Außenminister beider Länder, Fischer und de Villepin, am Rande des Reformkonvents ihre Vorschläge abstimmten, hängten sie natürlich keine Einladung an alle anderen Regierungsvertreter im Konvent zuvor ans schwarze Brett. Auch bei der Veranstaltung gestern in Berlin wären Minister anderer europäischer Kabinette nicht willkommen gewesen. Doch exklusive Zirkel sind mit der Philosophie der EU, dass gemeinsam entschieden wird, schwer vereinbar.

Die arrogante Art, in der Paris und Berlin derzeit demonstrieren, dass zwischen sie kein Blatt Papier passt und ohne sie in der EU nichts geht, kommt bei den anderen ganz schlecht an. Es stimmt schon: Nur ein Kerneuropa als Avantgarde europäischer Integration kann dafür sorgen, dass die Gemeinschaft in den kommenden Jahren in Fahrt bleibt. Der Motor müsste aber dringend nachgerüstet werden.

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