Angriff auf die Muschelbänke

Niedersächsische Landesregierung will Miesmuschelfischerei im Nationalpark Wattenmmer ausweiten und damit den Fischern entgegenkommen. Widerstand von Naturschutzverbänden gegen die Aufweichung des Nationalparkgesetzes ist nicht in Sicht

Die Gesetze sollen sehr nutzerfreundlich auslegt werden

von THOMAS SCHUMACHER

Kurz nach Beginn der Muschelsaison sehen die vier niedersächsischen Muschelbetriebe einen Silberstreif am Horizont. Zwar verspricht die Ernte nicht gerade üppig zu werden. Die neue CDU/FDP-Regierung in Hannover aber will geltende Fangbeschränkungen zurücknehmen. Ernsthafter Widerstand von Naturschutzverbänden ist nicht in Sicht.

Bisher regelte ein Managementplan, in welchen Bereichen des Nationalparks Wattenmeers an der niedersächsischen Nordseeküste und in welchem Ausmaß die Muschelfischer ihre Beute vom Boden kratzen dürfen. Dieser Plan läuft demnächst aus. Was dann folgt, daraus macht Detlev Gaumert, Referatsleiter im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, keinen Hehl: „Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Bedingungen für die Muschelfischerei verschärfen. Im Gegenteil“, formuliert er ganz undiplomatisch. Gaumert: „Ich bin pro Fischer. Und bei der gegenwärtigen Konstellation der zuständigen Ministerien (Landwirtschaft: CDU, Umwelt: FDP, Anm. d. Red.) gehe ich davon aus, dass wir die Gesetze bürger- und nutzerfreundlich auslegen werden.“

Das Gesetz für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer hat bislang die Fanggebiete der Muschelfischer beschränkt und ihnen vorgeschrieben, zu welchen Zeiten im Jahr sie Saatmuscheln entnehmen dürfen. BUND, NABU und WWF wollten in jedem Fall wirtschaftliche Nutzer, allen voran die Muschelfischer, aus den streng geschützten Zonen des Nationalparks heraushalten. Im bisherigen Muschelmanagementplan wurden zumindest Rechte und Pflichten der Fischer festgehalten. Eine Begleitbeobachtung sollte gesicherte Daten über Zustand und Veränderung der Muschelbänke festhalten.

Grundlage des Managementplanes waren 2001 die Untersuchungen der Forschungsstelle Küste auf der ostfriesischen Insel Norderney, einer Abteilung des Landesamtes für Ökologie, die dem Umweltministerium untersteht. Die Forschungsstelle hatte einen dramatischen Rückgang der Muschelbestände in Niedersachsen festgestellt. Unter anderem deswegen wurden die Fanggebiete der Muschelfischer durch den Muschelmanagementplan beschränkt. „Ich halte die Ergebnisse der Forschungsstelle Küste für wissenschaftlich nicht begründet“, relativiert Referatsleiter Gaumert jetzt. Beste Chancen also für eine Revision des Managementplans.

Die Liste der Wünsche der Fischer dafür ist lang. Sie wollen mehr Flächen, veränderte Saatentnahmezeiten und sie wollen das Recht, Eiderenten auf den Muschelbänken zu vertreiben. Denn das Federvieh ist Nahrungskonkurrent der Fischer. „Es wird Veränderungen im Muschelmanagementplan geben, auch wenn wir erst alle unsere Vorstellungen mit den entsprechenden Gremien absprechen müssen“, kündigt Gaumert an.

Angst vor Protesten der Umweltverbände braucht er dabei nicht zu haben. Denn seit der Muschelexperte beim WWF in Bremen, Holger Wesemüller, von seiner Frankfurter Geschäftsleitung kalt gestellt wurde, liegt das Thema brach. Die Muschelfischer können hoffen.

Glückliches Schleswig-Holstein: Dort binden Verträge mit der Regierung die acht Muschelbetriebe bis 2016. Bis auf vier kleine Ausnahmen darf im geschützten Bereich des Nationalparks Wattenmeer überhaupt nicht geerntet werden. Kontrolliert wird das mittels einer „Black Box“ auf den Fischerbooten, die die Route genau aufzeichnet. Außerdem werden alle entnommenen Saatmuschelmengen und alle geernteten Konsummengen registriert. „Für unsere Fischer mag das lästig sein“, sagt Thomas Borchardt vom Nationalparkamt Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer in Tönning. „Aber so haben sie Sicherheit und wir Ruhe im Nationalpark.“