Überschätzt

Zwischen Faszination und Ernüchterung: Die Braunschweiger Konzerte des Bobby McFerrin

Beethovens Achte lässt sich nicht mal ebenlocker runterspielen

So ist das bei Bobby McFerrin: Locker schlendert er auf die Bühne, ein kleiner Wink ins Publikum und schon ist das Dirigierpodium erreicht. Den Taktstock zieht er aus seinem langen Krusselhaar und dann geht es ganz relaxt los.

Ein Mozart-Konzert wird hoch sensibel, ja geradezu liebevoll von ihm und dem Petersburger Mariinsky-Orchester begleitet. Die junge Geigerin Marie-Elisabeth Lott bedankt sich mit traumwandlerisch sicherem und erfülltem Spiel. Danach ein Vivaldi-Konzert, in dem McFerrin mit seiner Stimme einen ursprünglich instrumental konzipierten Solopart übernimmt: Auch dies ein Ereignis.

Und es gab noch mehr solch starker Momente in seinen Braunschweiger Konzerten. Da begleitete er die wunderbare Nathalie Stutzmann zu Weill- und Bizet-Klängen genauso souverän wie den stimmgewaltigen Bariton Bryn Terfel bei Ausschnitten aus klassischen Musicals –da hätte man stundenlang zuhören können.

Leider jedoch meint McFerrin, er würde auch das große sinfonische Repertoire beherrschen. Dem ist aber nicht so: Das wurde schon bei der achten Beethoven-Sinfonie im ersten gemeinsamen Konzert mit den Petersburger Musikern deutlich. Eine Komposition, die wie diese aus ihrer inneren Spannung und von ihrem versteckten Humor lebt, wirkt nicht, wenn sie einfach locker heruntergespielt wird.

Und ebenso verlangtdas Klavier-Konzert von George Gershwin mehr als nur einen formidablen Pianisten, den man mit Barry Douglas ja wirklich zur Verfügung hatte. Ebenso nötig ist auch ein Dirigent, der die Balance hält zwischen Orchesterklang und Klavier. Das allerdings gelang Bobby McFerrin keineswegs.

Trotz solcher Enttäuschungen konnte man in Anbetracht des gelungenen Mozart-Spiels im ersten sinfonischen Konzert mit großen Erwartungen in den Braunschweiger Dom kommen, um seine Interpretation des berühmten Requiems zu hören. Aber der Abend enttäuschte. Kaum einmal fand McFerrin die richtigen Ausdrucks- und Tempoproportionen der einzelnen Teile zueinander. Kein Spannungsbogen entstand, der die Aufführung zusammengehalten hätte.

Da nützte es auch nichts, dass die russischen Musiker mit ihren Bläsern bestens zu gefallen wussten. Keine Frage: McFerrin ist ein begnadeter Musiker. Aber auch er kann nicht alles. Nur hat er dies wohl selbst noch nicht erkannt. Am besten ist er immer noch, wenn er eine mehrstimmige Bach-Air als Solo vorträgt – oder aber, seine eigene Stimme klingen lässt wie einen ganzen Chor.

Reinald Hanke