„Das weiß ich gerade nicht“

Ein Erfolg ist ein Erfolg ist ein Erfolg: Jörg Kastendiek macht Stimmung gegen Sozialhilfeempfänger – und hat kaum Ahnung von den wahren Fakten

Bremen taz ■ „Geht nicht, gibt‘s nicht“, hat CDU-Fraktionschef Jörg Kastendiek gesagt, als Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) angesichts der rigiden Sparvorgaben auf die gestiegene Zahl von Sozialhilfeempfängern und damit ihre gestiegenen Ausgaben verwies (taz berichtete). Diese Haltung hat Kastendiek gestern noch einmal bekräftigt. In einem Artikel im Weser-Kurier wird der 39-jährige Jurist so wiedergegeben: „Derzeit erhielten Sozialhilfeempfänger überall in Deutschland einheitliche Beträge. Unberücksichtigt blieb dabei aber, dass die Lebenshaltungskosten in Bremen deutlich geringer seien als beispielsweise in München.“ Gegenüber der taz bestätigte Kastendiek die Richtigkeit dieser Wiedergabe. Aber weiß Jörg Kastendiek, dass die Beträge von Kommune zu Kommune unterschiedlich sind, bemessen nach der Höhe der Lebenhaltungskosten? Kennt Kastendiek die Höhe der Regelsätze in München und in Bremen? „Das weiß ich gerade nicht. Mit den konkreten Zahlen kann ich im Moment nicht dienen, ich bin auch gerade im Auto.“ In München liegt der Regelsatz für den Haushaltsvorstand bei 316 Euro, in Bremen bei 296. Und die Preisunterschiede bei Aldi oder Lidl in München und in Bremen sind so erheblich nicht. „Meine Wahrnehmung ist da eine andere. Das haben mir auch andere bestätigt. Das ist ja nicht mir alleine aus dem Kopf gesprungen, das haben wir ja beraten.“

In Bremerhaven gehen unter der Ägide von Sozialdezernent Wilfried Töpfer (SPD) fünf Mitarbeiter zu Sozialhilfeempfängern nach Hause und prüfen, ob die Bedarfe, die auf dem Amt gemeldet sind, wirklich vorhanden sind. Ein „großer Erfolg“ sei das, sagt Kastendiek im Weser-Kurier. Wie groß ist denn dieser Erfolg? „Laut Aussagen der Kollegen aus Bremerhaven, dass der Zuwachs offensichtlich nicht so stark ist und dass Einsparungen realisiert werden.“ Kastendiek gen Röpke: „Wir wollen von der Senatorin wissen, wann das hier eingeführt wird und dass gesagt wird, wie hoch die erwarteten Einsparungen sind.“ Das kann aber selbst Wilfried Töpfer aus Bremerhaven nicht. „Das kann man nicht in Mark und Pfennig beziffern“, sagt der. Es gehe vor allem um Prävention. Töpfer erzählt einen Fall von vier beantragten Lampen, von denen nach Überprüfung vor Ort nur zwei für notwendig befunden wurden. Für Fälle wie diese sind fünf Leute unterwegs, deren Staats-Gehälter sich durch die Einsparungen erstmal amortisieren müssen – das sieht auch Töpfer: „Die fünf Stellen kosten ja auch Geld.“ Doch obwohl ihm konkrete Zahlen fehlen, ist er wie Kastendiek von dem „großen Erfolg“ des Außendienstes überzeugt.

Auf die Frage, wie er denn von Erfolg sprechen könne, wenn der nicht fassbar sei, entgegnete Kastendiek gegenüber der taz: „Aber Sie haben doch eben selber Herrn Töpfer zitiert, der sagt, es ist ein großer Erfolg.“

Dass er sich mit all dem an einer Diffamierungskampage gegen Sozialhilfeempfänger beteilige, wies Kastendiek zurück: „Das tue ich nicht, sondern ich erwarte von der Senatorin, dass sie die Dinge tut, die erforderlich sind.“ Karin Röpkes Kommentar: „Populistische Vorschläge sind wenig hilfreich und bringen uns nicht weiter.“

Susanne Gieffers