Bochum, wir komm’ zu dir!

Pünktlich zum Auswärtsspiel enthüllt die taz: das geheime Tagebuch von Hertha-Coach Huub Stevens. Was er denkt, wie er fühlt, warum er glaubt, wieso er spricht, wen er kennt und warum er Grönemeyer fürchtete? Warum eigentlich nicht?

Protokoll von JAN ROSENKRANZ

Letzten Sonntag

Habe bisher geglaubt, Hertha wäre ein sicherer Werkplaats (niederl. für Arbeitsplatz, Anm. d. Red.). Kann ich langsam vergessen. Alle sind sauer. Fans haben sich umgedreht gestern beim Heimspiel gegen Hannover 96. Konnten auch nicht mehr mit ansehen, wie wir hier 2:3 verloren haben. Gegen Hannover 96. Zu Hause. Bin bedroefd (niederl. für traurig, Anm. d. Red.). Und jetzt ist auch noch Marx verletzt. Toller Käse. Bin verzweifelt.

Montag

„Ich lass mir das ein oder andere einfallen“, hab ich gerade den Pressefuzzis erzählt. Cleverer Schachzug, bloß nix garantieren, sehr smart, Huub. Sind jetzt alle ganz gespannt. Vielleicht lass ich die Jungs am Samstag in rosa Tütüs auflaufen. Wäre auch ein Einfall. Oh Gott, Samstag. Auswärts gegen Bochum. Was weiß ich über Bochum? Wenig. Zu meiner Zeit auf Schalke konnte ich ja schlecht nach Bochum fahren. Hätten mich doch gelyncht. Beim letzten Spiel auswärts gegen Bochum haben wir ganz schön alt ausgesehen. (3. 11. 2002, 3:2 verloren, Anm. d. Red.)

Dienstag

Spät geworden heute. Bin fix und foxi – die Jungs auch. Hab im Internet nach „Bochum“ gegoogelt. Weiß jetzt, dass Grönemeyer ein Lied über Bochum gesungen hat. Vielleicht hilft das. Kann Hilfe gebrauchen. Scholz (Rupert Scholz, Hertha-Aufsichtsratschef, Anm. d. Red.) hat „vollstes Vertrauen“ zu mir, hat er den Pressefuzzis erzählt. Hat gesagt, „unüberlegte Maßnahmen bringen nur Verunsicherung“. Super-Scholz. Superdeckung. Rückendeckung. Kein Wunder, der Mann war mal Verteidigungsminster, hat mir der Dieter (Manager Dieter Hoeneß, Anm. d. Red.) erzählt. Dieter ist auch für mich. Und Grönemeyer?

Mittwoch

Hab die Jungs heute ordentlich getriezt. Muss ja. Soll jeder sehen, dass die was tun für ihr Geld. Also joggen und üben, vor allem Tore schießen und so. Hab da heute so Schautafeln gefunden im Heizungskeller des Stadions. Könnten helfen. Kann Hilfe gebrauchen. Gegen Bochum, das wird echt hart, Mann. Marcelinhos Gips ist ab, kann aber frühestens in drei Wochen wieder trainieren. Marxens Kreuzband ist immer noch kaputt. Und der Dieter hat heute einen Werbevertrag mit der Flughafenholding abgeschlossen. Was hat das zu bedeuten? Keine Ahnung, ich kann nur noch an Bochum denken – und diesen Grönemeyer. „Tief im Westen / wo die Sonne verstaubt / ist es besser / viel besser, als man glaubt“, hat der gesungen.

Donnerstag

Hoffentlich kommt der Grönemeyer nicht ins Stadion. Hoffentlich gewinnen wir, sonst dichtet der: „Hertha / kann nicht spielen / Tore schießen / weit gefehlt / Hertha / kann nicht dribbeln / Trainer schuld.“ Kann er vergessen, dieser Grönemeyer. Hab heute meine lyrische Ader entdeckt, saß auf der Bank und hab gereimt: „Bochum, wir komm’ zu dir / Bochum, wir schlagen dir / Glühühühüüück ab und nicht auf / Bochum“. Bin zufrieden. Lass ich die Mannschaft lernen, singen wir im Bus. Singen ist gut. Wenn wir gewinnen, wird das der neue Hertha-Song. Kann dieses „Nur nach Hause gehn wir nicht“ von Frank Zander nicht mehr hören. Echt nicht.

Freitag

Hab noch mal nach Grönemeyer gegoogelt. Bin erleichtert. Der kommt gar nicht aus Bochum, sondern aus Göttingen. Wir gewinnen. Und wenn nicht? Wenn mich so ein Pressefuzzy fragt, was los war, dann mach ich ihm den Rudi. Dann kotzt mich das auch an. Was glauben wir denn, wer wir sind. Wir spielen doch nicht gegen irgendwen, Bochum ist auf Platz 9! Von uns aus gesehen ist das Tabellenspitze, werd ich sagen. Können sich alle schon mal warm anziehen. So oder so. Glück ab, Bochum.