„Mama ist da pingelig“

Kiez Cuisine III: Die Schöneberger Nord-Süd-Tour vom Winterfeldtplatz zur Hauptstraße macht klar, wo die Wiege der zivilisierten Küche stand: In Bella Italia. Ein kleiner kulinarischer Spaziergang

von STEFFEN GRIMBERG

Ach, Winterfeldt-Platz! Sehen und gesehen werden – in gar nicht allzu noblem Ambiente. Sein wir ehrlich. Die Cafés gleich vis à vis vom Platz der Plätze könnten genau so in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs Hannover zu Hause sein. Scheint aber niemanden zu stören. Spätestens an den Markttagen ist hier brechende Fülle angesagt. Dabei – auch da hilft nur Ehrlichkeit: Es gibt bessere Wochenmärkte in Berlin.

Doch davon ein ander Mal. Und ab in den Kiez! Wenn man nämlich ein nur ein bisschen weiter geht, hat sich das mit dem Bahnhofsflair niedersächsischer Großstädte schon wieder. Im Pan y Tulipan (Winterfeldstr. 40) fehlt zwar die unmittelbare Platzanbindung, doch gibt es sogar eine Happy-Hour für die umfängliche Tapas-Auswahl des Hauses. Obwohl es hier eher nach Bar als Restaurant aussieht, kann sich auch die wöchentlich wechselnde Abendkarte sehen lassen. Wem‘s schon in diesen Breiten eher italienisch ums Gemüt wird, hat es auch nicht mehr weit: Bei Al Petrocelli (Winterfeldtstr. 34) gibt‘s ordentlich eins auf die Nudel.

Auf der anderen Straßenseite wartet eines der Schmückstücke im Kiez auf: Der Merlot-Keller (Winterfeldtstr. 37) ist trotz seiner Jugend – den Laden gibt es seit gerade mal drei Jahren – auf dem besten Wege zur Institution. Jedenfalls haben sich die Hausbewohner schon mal eine Bank vor den Laden gestellt, auf der sich hervorragend der hausimportierte Languedoc süffeln lässt. Neben dem vom Faß abgefüllten Tropfen wartet der Merlot-Keller noch mit „ein bisschen spanischem und italienischem Wein“ auf – gelagert in den wohl nobelsten Ablagen aller Berliner Flaschenläden: Vom eisernen Profi-Weinregal, das eher aus den 1930er stammt, bis zum gedrechselten Massivholzschrank vom Flohmarkt kann alles gegen Bar erworben werden. Diverse, zum Teil antike Gläser und kleine Küchenutensilien inklusive.

Weiter im Westen feiert das Gitan dieser Tage seinen 15. Geburtstag mit Bio-Köstlichkeiten rund ums Mittelmeer (Winterfeldtstr. 52), und wer noch ein Kochbuch braucht, wird garantiert im Antiquariat nebenan fündig. Streng genommen liegt der nun folgende Schlenker zwar gar nicht auf unserer direkten Route. Doch am „Mutter“ vorbeigehn? Nicht auf den scheußlich nachgemachten Louis XV-Stühlen hocken und sich an den legendären Frühstücken mit so hübsch aufbauenden namen wie „Mutter aller Schlachten“ laben? Geht nicht, also hin! Zumal drinnen bis in die frühen Morgenstunden auch ganz ansehnliche Thai-Gerichte verabreicht werden.

So ausgerüstet trabt man die Goltzstraße ‘gen Süden, deren unteres Ende von einigen „Preise wie vor 20 Jahren“-Italienern und einem halben Dutzend indischer Lokale dominiert wird. Den günstigen Preisen entspricht die eher spartanische Einrichtung. Mittendrin sorgt Mister Hu (Goltzstr. 39) immerhin für Drinks mit Ambiente.

Kurz vor Querung der Grunewaldstraße kommen Teetanten, Kuchenschlemmer und Brunchbuffetfetischisten auf ihre Kosten: Das TeetTeaThé (Goltzstr. 2) hat von allem etwas, am Wochenende herrscht dafür gerne mal Überfüllung. Wenn man hier kein Stühlchen mehr abbekommt, findet sich ein paar Meter weiter im Gottlob (Akazienstr. 17) vielleicht noch ein Platz, der sich mindestens genauso lohnt.

Die Möglichkeit, das Angenehme (Einkehren) gleich noch mit dem Nützlichen (Einkaufen) zu verbinden, lebt knapp dahinter die Symbiose aus Café Sur und Südwind vor: Ersteres bietet Speisen und Ausschank, Letzteres italienische Köstlichkeiten (Akazienstr. 7). Ebenfalls italinisch und die paar Meter Abstecher seitwärts wert: Das La Vita e Bella (Belziger Str. 20) heißt so wie Roberto Benignis ergreifender Film. Und Mama kocht ähnlich ergreifend: Hervorragend frische Nudeln und Fleischgerichte mit exzellenten Beilagen. „Mama ist da pingelig“ verrät der Juniorchef des Familienunternehmens – und obendrein stolz, dass hier süditalienische Küche von „echten“ Süditalienern geboten wird. Mittwochs und Donnerstags gibt es auch Fisch, die Karte wechselt täglich.

Zum Absacker geht‘s zurück auf die Akazienstraße. Zu gepflegten Bieren in den Felsenkeller (Akazienstr.2), der es völlig verantwortunsgloserweise sogar in den Global Hangover Guide geschafft hat (www.hangoverguide.com). Oder zu zarteren Gemütern in die Akazienstraße 28 – ins Café Bilderbuch.