Alte Germanen unter sich

In Deutschland gibt es ein breites Netzwerk schwedischer Gemeinden, Freundschaftsclubs und Vereine. Alleine in Berlin leben rund 2.500 Schweden

Multikulti ist auch eine Sache der Religion. Da macht die schwedische Victoriagemeinde keine Ausnahme. Wie in den Gemeinden „zu Hause“ gibt es in Berlin-Wilmersdorf regelmäßige Gottesdienste, Trauungen, Taufen und Beerdigungen. Kirchenchor, Jugendgruppen, Krabbelgruppe Frauenkreis gehören natürlich auch dazu. „Unter religiösen Gesichtspunkten sind wir den protestantischen Gemeinden in Berlin sehr ähnlich“, sagt Kersti Mellberg aus der Gemeinde. „Aber wir sind vor allem auch ein sozialer Treffpunkt.“ Das Café mit schwedischen Zeitungen und schwedischem Kaffee ist ein erster Anlaufpunkt für jeden, der kommt.

Aber es gibt auch klare Vorgaben: Ein neues Gemeindemitglied muss Schwedisch sprechen können. Sonst wäre es wahrscheinlich schnell vorbei mit der schwedischen Eigenart, die sich die Gemeinde nun schon seit 100 Jahren bewahrt (die taz berichtete). Sie ist die älteste der vier schwedischen Gemeinden in Deutschland. Ihre Geschichte war nicht nur von der heutigen Idylle geprägt. Während des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges half die Gemeinde Flüchtlingen und Notleidenden. Dass schwedische Kultur und Sprache in Deutschland eine Zukunft haben, dafür sorgen die Vorschule und Schule der Gemeinde. Dort werden 11 Kinder betreut, 24 werden von der ersten bis zur sechsten Klasse unterrichtet. Auch dänische und norwegische Kinder gehen hier zur Schule. Nur in Hamburg gibt es ein vergleichbares Angebot. Darüber hinaus bieten schwedische Schulvereine Schwedischunterricht in verschiedenen Orten Deutschlands an. Und dieses Angebot wird genutzt.

Die nordischen Nachbarn haben viele Sympathisanten hierzulande: Rund 20 Freundschaftsvereine gibt es in Deutschland.

Einer davon ist der 1990 gegründete Freundeskreis Berlin- Schweden mit rund 130 Mitgliedern. Mit ein bis zwei Veranstaltungen pro Monat widmen sich die Vereinsmitglieder nicht nur der schwedischen Kultur, sondern auch dem Skatspiel und dem Pilzesammeln. Ein schwedischer Konversationszirkel findet einmal wöchentlich statt, die schwedische Literatur kommt bei den Treffen ebenfalls zum Zuge. „Wir haben einen sehr engen Kontakt zur Victoriagemeinde“, sagt Jochen Preussler, Vorsitzender des Vereins. Über die gemeinsamen Veranstaltungen und die Aktivitäten in der Gemeinde informiert der Freundeskreis auf seiner Homepage, wo auch Neues aus Schweden berichtet wird. Die Veranstaltungen finden meist im Lichtenberger Vereinslokal, bei der Victoriagemeinde oder bei der Schwedischen Botschaft – im Gemeinschaftshaus der Nordischen Botschaften – statt. Aber auch über Berlin hinaus haben die Schwedenfreunde ein enges Netzwerk mit anderen Vereinen. Immerhin sind 20.000 Schweden in Deutschland gemeldet.

Ein kulturgeschichtlich und touristisches Netzwerk haben auch die beiden Staaten Schweden und Deutschland ins Leben gerufen. Auf Initiative der schwedischen Botschaft in Berlin haben sich die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und die an der Ostsee gelegenen alten Hansestädte zum Projekt „Schwedenstraße“ zusammengefunden. Schweden und Deutsche entdecken ihre gemeinsame Geschichte – als Norddeutschland in Teilen beides war: deutsch und schwedisch. LARS KLAASSEN