BRENT EAST WIRD NICHT DIE LETZTE HOCHBURG SEIN, DIE LABOUR VERLIERT
: Risikofaktor Blair

Labour macht es sich zu einfach, wenn die Partei ihre überraschende Wahlniederlage in Brent East als „mid-term blues“ abtut – als erwartbare Racheaktion der Wähler mitten in der Legislaturperiode. Denn Brent East ist kein Allerweltswahlkreis, sondern eine Labour-Hochburg, die bisher als uneinnehmbar galt. Und es waren traditionelle Labour-Anhänger, die diesmal gar nicht erst ihre Stimme abgaben, weil sie ihre Partei in Tony Blairs „New Labour“ nicht mehr wiedererkennen.

Es ist auch, aber nicht nur der Irakkrieg, der für die Wahlniederlage gesorgt hat. Blairs Glaubwürdigkeit, die er seit seinem Amtsantritt als Parteichef vor knapp einem Jahrzehnt stets gewinnbringend eingesetzt hat, ist schwer angeschlagen. Die versprochenen Verbesserungen im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich und bei den öffentlichen Verkehrsmitteln sind ausgeblieben. Nach sechs Jahren Regierungszeit kann Labour nicht mehr alles den Tories in die Schuhe schieben.

Denen geht es freilich noch viel schlechter als Labour. In Brent East wurden sie zur Splitterpartei degradiert. Dabei waren die Konservativen über ihren eigenen Schatten gesprungen und hatten eine schwarze Frau als Kandidatin ins Rennen geschickt. Das wäre lobenswert, wenn sie es nicht aus rein wahltaktischen Gründen getan hätten. Die Wähler sind nicht so dumm, wie die Tories glauben, sie kennen sowohl die Einstellung der Tories zu Einwanderung als auch zu Frauen. Uma Fernandes wusste das: Sie hatte sich schon zu Beginn ihrer Wahlkampagne als chancenlos eingestuft. Wenn Tory-Chef Iain Duncan Smith über das „Versagen der Labour Party“ in Brent East jubelt, ist das so, als wenn sich beim Fußball Hertha-Fans über eine Bayern-Niederlage freuen: Sie nützt ihnen nichts.

Nein, von den Tories droht Blair längst keine Gefahr mehr, und von den Liberalen Demokraten, die Labour längst links überholt haben, noch nicht. Gefährlich werden könnten ihm nur die eigenen Hinterbänkler, die ihre Felle davonschwimmen sehen. Wenn schon Brent East verloren geht, dann könnten die Abgeordneten in unsicheren Wahlkreisen erst recht ihren Sitz verlieren. RALF SOTSCHECK