Jeder will den Reaktor

Ab 2004 soll internationales Team Kernfusion auf der Sonne erforschen. Mehrere Länder streiten um Standort

MADRID taz ■ Das internationale Großprojekt Iter ist einen Streit wert. Ab 2004 sollen 1.500 Wissenschaftler aus der EU, den USA, Russland, Kanada, Japan, China und Korea mit dem Bau des Kernfusionstestreaktors beginnen. Wenn Iter erst einmal steht, sollen 10.000 Menschen direkt in dem Projekt arbeiten, das erforschen soll, inwieweit die Fusion, wie sie auf der Sonne stattfindet, als Energie der Zukunft nutzbar ist. 100.000 indirekte Arbeitsplätze sollen dadurch in der Region rund um Iter entstehen.

Diesen Brocken wollen in Europa gleich zwei verschlingen: Spanien und Frankreich. Mehrfach schon mahnten die EU-Behörden, sich doch bitte zu einigen, um gegen die Mitbewerber Kanada und Japan mit einem gemeinsamen europäischen Kandidaten aufzutreten. Doch Paris und Madrid finden nicht zueinander. Sie wollen den EU-Experten nächste Woche getrennt voneinander ihre Projekt vorlegen. Am 27. November, beim nächsten Treffen der Forschungsminister der EU-Mitgliedsländer, könnte es dann allerdings zu einer Entscheidung kommen.

Was die Standorte angeht, haben beide Länder viel zu bieten. Frankreich setzt auf Cadarache, einen Ort bei Marseille. Dort befindet sich bereits ein Forschungszentrum. Die 4.300 Mitarbeiter arbeiten am Thema Kernfusion. Spanien möchte den Forschungsreaktor neben dem nordostspanischen Atomkraftwerk Vandellós bauen. Das Gelände liegt am Meer und hat einen eigenen Hafen. Die Spanier führen außerdem das niedrigere Lohnniveau für sich an. Das Projekt Iter würde dadurch bereits in der Bauphase um einiges billiger als bei den anderen drei Bewerbern.

Paris und Madrid versuchen bis zum alles entscheidenden Treffen Unterstützer um sich zu scharen. Frankreich kann mit Belgien und Deutschland rechnen. Spanien scheint die Seilschaft aus dem Irakkrieg für sich gewinnen zu können. Allen voran hat – so ist sich die spanische Presse sicher – Großbritannien Unterstützung zugesagt. Portugal und die Niederlande schließen sich dem an. Und wenn es dann endlich zur internationalen Abstimmung kommt, rechnet Madrid fest mit den USA.

Die bedingungslose Unterstützung der Invasion im Irak durch Madrid, gegen den Millionen Spanier auf die Straße gingen, würde sich dann im nachhinein bezahlt machen.

REINER WANDLER