Zum Putzen statt zur Weiterbildung

Nach einem Plan des Wirtschaftsministeriums dürfen Arbeitslose künftig auch im Namen ihrer Angehörigen Verträge mit dem Arbeitsamt abschließen. Der Ehemann könnte dann entscheiden, ob sich seine Frau weiterqualifizieren darf oder putzen geht

von HEIDE OESTREICH

Darf in Zukunft in Deutschland wieder der Mann entscheiden, ob und wie die Frau arbeitet? Es klingt so, wenn man den Gesetzentwurf des Wirtschaftministeriums zu „Hartz IV“, also zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, liest. Wer das neue Arbeitslosengeld II bekommt, der wird gefördert und gefordert. Ein Fallmanager schließt mit ihm eine Art Pakt, in schönstem Arbeitsamtsdeutsch „Eingliederungsvereinbarung“ genannt. Darin ist festgehalten, was das Amt für ihn tut – Geld, Fortbildung, Vermittlungsbemühungen – und was der Arbeitslose selbst tut: sich hier und dort bewerben, diese oder jene Fortbildung besuchen. Praktischerweise, dachte sich das Ministerium wohl, soll eine Person aus einem Haushalt diesen Vertrag im Namen aller abschließen. „In die Eingliederungsvereinbarung können auch die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden“, so heißt es in der Begründung des entsprechenden Paragrafen 15.

Das allerdings ist interessant. Wenn sich in dem Haushalt des Arbeitslosen zufällig auch noch ein arbeitsloses Kind oder eine arbeitslose Ehefrau befinden, dann könnte der Vater oder Ehemann also deren Leistungen gleich mitbestimmen. Praktischerweise darf er auch das Geld für diese Personen „beantragen und entgegennehmen“, so heißt es in Paragraf 38.

Nehmen wir an, dass es der Ehemann ist, der beim Arbeitsamt einläuft. Er könnte sowohl Leistungen für seine Frau beantragen und mitnehmen, ohne dass diese etwas davon weiß, als auch bestimmen, dass sie jetzt mal einen Minijob als Putzfrau annehmen muss, anstatt sich weiterzuqualifizieren, weil es für ihn bequemer ist? Das würde in der Eingliederungsvereinbarung festgehalten. Wenn die Frau nicht spurt, wird das Geld gekürzt? Kann das Ministerium das gewollt haben?

Natürlich könnte dann auch eine Ehefrau ihren Mann über den Tisch ziehen. Es sind deshalb auch nicht nur die Frauenpolitikerinnen, die sich über den Passus aufregen. Die aber auf jeden Fall: „Das ist ein Familien- und Frauenbild aus den Fünfzigerjahren“, so Anne Jenter, beim DGB-Vorstand zuständig für Gleichstellungspolitik. „Das verletzt die Persönlichkeitsrechte erwachsener Menschen.“ Der Staat dürfe nicht Konflikte in die Familien tragen. Der Paragraf müsse dringend geändert werden.

Auch die Regierungsparteien sind nicht glücklich mit dem Entwurf. „Das darf nicht sein“, so die SPD-Frauenpolitikerin Christel Humme: „Den Streit in den Familien kann ich mir schon vorstellen.“ Sie hält das ganze Konstrukt für juristisch unzulässig: „Man darf keine Verträge zu Lasten Dritter abschließen. Das muss umformuliert werden oder raus aus dem Entwurf.“ Auch der Sozialexperte der Grünen, Markus Kurth, plädiert fürs Umformulieren: „Die Zeiten, zu denen der Sippenälteste für die ganze Sippe bestimmte, sind vorbei.“

Uwe Berlit von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen verweist darauf, dass den Betroffenen durchaus das Recht eingeräumt werde, eine eigene Vereinbarung zu treffen. Das allerdings müssen diese erst einmal wissen und sich dann melden. Auch Berlit hält deshalb eine Klarstellung im Gesetz für sinnvoll.

Der wirtschaftpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner findet das Gesetz dagegen „sonnenklar“. „Der Entwurf geht selbstverständlich davon aus, dass keine Verträge zu Lasten Dritter geschlossen werden“, so Brandner. Vielmehr gehe es darum, dass „nicht immer jeder Einzelne zum Amt muss, um etwas zu beantragen. In der Praxis werden die Leute erleichtert sein“, prophezeit er.

Der Urheber des Interpretationssalats, das Wirtschaftsministerium, sieht ebenfalls kein Problem: Mit „jedem arbeitsfähigen Hilfebedürftigen“ müsse ein Vertrag geschlossen werden, heiße es schließlich in Paragraf 15 des Gesetzes. „Das bedeutet“, so Sprecher Alexander Schieferdecker, „dass jeder einen eigenen Vertrag macht.“ Das könnte man so lesen. Doch regeln mehrere andere Artikel eben auch die eingangs erwähnte Stellvertreterschaft. Die beiden Regelungen widersprechen sich bestenfalls. Schlechtestenfalls sucht sich jeder die Formulierung heraus, die ihm passt. Und die Gerichte haben eine Menge Arbeit.