analyse: rüttgers und merkel
: Das Ende der Einigkeit

Nach jahrelanger politischer Zweckgemeinschaft gehen CDU-Bundeschefin Angela Merkel und CDU-NRW-Chef Jürgen Rüttgers getrennte Wege. Die mögliche Kanzlerkandidatin und der Ministerpräsidenten-Kandidat pflegen ihre politischen Egoismen. In der West-CDU wird über einen heftigen Streit getuschelt. „Zwischen Rüttgers und Merkel hat es richtig gekracht“, heißt es.

Besonders bei den Themen Kopfpauschale, Hartz IV und Wahltaktik 2005/06 können Rüttgers und Merkel keine gemeinsame Position finden. Der Düsseldorfer Oppositionsführer hatte bereits vor der Sommerpause das CDU-Modell für die Kopfpauschale kritisiert. Gemeinsam mit dem CDA-Bundeschef Hejo Arentz will Rüttgers die CDU-NRW bei der Landtagswahl 2005 als mitfühlende, konservative Partei verkaufen. Die unsozialen Reformvorschläge der Merkel-CDU passen nicht zu dieser Strategie. „Sehr ungehalten“, soll die große Vorsitzende auf den Rüttgers-Vorstoß reagiert haben.

Auch beim aktuellen Streitthema Hartz IV gibt es Zoff. Rüttgers forderte vor zwei Wochen eine „Generalrevision“ der Arbeitsmarktgesetze. Wegen „einer Vielzahl von handwerklichen Fehlern“ sollten sich Bund und Länder noch einmal zusammensetzen und die Reform überarbeiten, so der CDU-Landeschef. Im Bundesvorstand ging Merkel Rüttgers daraufhin hart an. Öffentlich sagte sie nur, die „ganze“ Union müsse zu den im Vermittlungsausschuss beschlossenen Reformen stehen.

Hinter den inhaltlichen Konflikten stehen divergierende Machtinteressen. Rüttgers will 2005 endlich Ministerpräsident werden. Die aktuelle Schwäche der SPD will er gnadenlos ausschlachten und setzt deshalb populistisch auf Aufregerthemen wie Hartz. Merkel hat als mögliche Kanzlerkandidatin längerfristige Pläne. Sie muss die CDU inhaltlich geschlossen halten, um 2006 zu gewinnen. Die NRW-Wahl ist für sie nur eine Zwischenstation. Ausgerechnet CDU-Vize-Fraktionschef Friedrich Merz hat dies vor einigen Wochen auf den Punkt gebracht. Der Machtverlust in NRW könne Tiefpunkt und Wendepunkt zugleich werden für Rot-Grün, so Merz. Die SPD werde dann eine Motto-Kampagne starten: „Wollt ihr den totalen CDU-Staat?“

Die Distanz von Rüttgers und Merkel wurde auch diese Woche in NRW deutlich. Bei Merkels „Sommerreise“ durch das Ruhrgebiet durfte oder wollte der zuständige Landesvorsitzende nicht mitfahren. MARTIN TEIGELER