Mit einem trojanischen Pferd gegen die CDU

Die Serie zur NRW-Kommunalwahl am 26. September. Heute: Der Mut der Verzweifelten in Rheda-Wiedenbrück

Rheda-Wiedenbrück?„Die sympathische Doppelstadt an der Ems“ leistet sich einen seltenen Luxus. Auch 35 Jahre nach der kommunalen Zwangsheirat haben beide Ortsteile noch ein eigenes Rathaus, einen Marktplatz, ein Freibad, eigene Gesangsvereine und Schützenfeste. Nicht schlecht für 45.000 Einwohner (seit 1995 Anstieg um 10 Prozent). Aber bei nur rund 8,8 Prozent Arbeitslosigkeit ist das wohl drin. Außerdem verfügen die Einwohner im Kreis Gütersloh über ein wesentlich höheres Einkommen als der Durchschnitts-NRWler. Das sorgt für gute Stimmung trotz ostwestfälischer Wirtschaftsflaute.Wer hat was zu verlieren?Eigentlich keiner: Die CDU hat seit Jahrzehnten die absolute Mehrheit und daran wird sich auch diesmal kaum etwas ändern. Die Anderen haben in der tiefschwarzen Stadt noch nie Land gesehen und haben deshalb nicht viel zu verlieren. Wer regiert im Rathaus?Bernd Jostkleigrewe von der CDU hat vor fünf Jahren 61 Prozent der Stimmen gewonnen, er tritt wieder an und wird das Rennen auch wieder machen.Wer will da rein?Die Frage stellt sich in R-W nicht wirklich. Wahlvoraussetzung für einen Bürgermeister ist hier: Er muss schwarz sein. Der parteilose Meinolf Jansing ist das nicht und hat deshalb auch keine Chance – trotz gemeinsamer Unterstützung durch SPD, FDP und Grüne. Für ihn gilt daher ganz olympisch: Dabei sein ist alles. Was gibt es im Wahlkampf außer Kugelschreibern?Ostwestfälische Kuriositäten: Grüne, SPD und FDP haben eine gemeinsame Wahlplattform verabschiedet und sind stolz darauf, dass ihnen das in NRW noch niemand nachgemacht hat. Mut der Verzweiflung. Man trifft sich irgendwo in der Mitte zwischen neoliberaler Wirtschaftsförderung, besserer Kinderbetreuung und mehr Radwegen. Die Ziele sind aber bescheiden. Die absolute Mehrheit der Schwarzen soll verhindert werden. Dumm nur, dass die FDP schon jetzt ständig mit den Absolutenmehrheitseigentümern der CDU im Rat der Stadt gemeinsame Sache macht. Sieht so aus als hätten sich SPD und Grüne ein trojanisches Pferd ins Boot geholt.Die taz-Prognose?Angie Merkel und Jürgen Rüttgers können aufatmen. Das rot-grün-gelbe Wahlbündnis wird keine Schule machen. Einziger echter Wahlgewinner könnte die FDP werden - in der Politik koaliert sie schon jetzt mit der CDU, im Wahlkampf noch mit Rot-Grün. Klingt nach einer erfolgversprechenden Wendehals-Strategie. ULLA JASPER