Kein Namedropping

Das Art Forum ist traditionell das Herzstück des „Berliner Kunstherbstes“. Nach dem scheinbaren Aus des letzten Jahres befindet sich die fünftägige Kunstmesse wieder im zaghaften Aufwind

VON TIM ACKERMANN

Eine wichtige Disziplin auf Kunstmessen ist Namedropping: Namhafter Galerist verhökert internationalen Künstlerstar an bekannten Sammler. In dieser Hinsicht schien 2003 die Berlin Kunstmesse Art Forum vor dem Aus zu stehen. Im achten Jahr ihres Bestehens verzichteten nicht nur etliche ausländische Galeriegrößen auf einen Besuch in der Spreemetropole. Auch zehn wichtige heimische Galerien – wie etwa Klosterfelde, Neugerriemschneider oder Contemporary Fine Arts – kehrten dem Art Forum den Rücken. Der Grund: die Konkurrenzmesse „Frieze“ in London, die zeitnah und zum ersten Mal an den Start ging und alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Das Art Forum sei erledigt, hieß es.

Doch die Kritiker haben zu früh zur Grabschaufel gegriffen: Auch 2004 bleibt das Art Forum das Gravitationszentrum des „Berliner Kunstherbstes“. Auf 9.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden gut 120 Galerien aus rund 20 Ländern zeitgenössische Kunst anbieten. Ein knappes Drittel sind Berliner Händler. Ein übersichtliches Programm – 2002 waren es noch 172 Galerien. Sabrina van der Ley, die seit 2000 die künstlerische Leiterin des Art Forums ist, freut sich, dass sie zusammen mit dem Galeriebeirat eine Verringerung der Ausstellerzahl beim Veranstalter (Messe Berlin GmbH) durchdrücken konnte. „Mehr hätte man bei dem begrenzten Platz auch nicht unterbringen können“, sagt Ley. Zum zweiten Mal wird das Art Forum in den denkmalgeschützten Ermisch-Hallen stattfinden, die mit großen Fenstern und hohen Decken eine lockere, luftige Atmosphäre schaffen. Das ist ganz im Sinne der Art-Forum- Erfinder, denn die Berliner Kunstmesse wurde 1996 als Reaktion auf die muffige Enge bei der Art Cologne ins Leben gerufen – dort drängeln sich in rheinischer Gemütlichkeit jährlich um die 250 Aussteller.

Die schöneren Hallen sind nicht der einzige Punkt, der das Art Forum von der Art Cologne unterscheidet: In Köln bietet man traditionell – wie bei der Art Basel auch – sowohl aktuelle Kunst als auch Werke der klassischen Moderne an, während man sich in Berlin ausschließlich auf die zeitgenössische Kunst konzentrieren will – am liebsten auf die aus den letzten 15 Jahren. Mit solch einem eindeutigen Bekenntnis hat das Art Forum durchaus das Potenzial, sich dauerhaft zur wichtigsten deutschen Messe in seinem Segment zu etablieren. Nicht nur weil direkt vor ihren Pforten zahlreiche Künstler leben, die einen enormen Produktionsdrang an den Tag legen. Es gibt in Berlin auch eine Reihe findiger Galeristen, die es verstehen, Trendströmungen der zeitgenössischen Kunst in internationale Gewässer zu leiten.

Auf dem Art Forum trägt in diesem Jahr eine Neuheit der ungebrochenen Attraktivität Berlins als Kunstproduktionsstätte Rechnung: Unter dem Titel „Made in Berlin“ hat Zdenek Felix (Exdirektor der Hamburger Deichtorhallen) aus dem Künstlerpool der teilnehmenden heimischen Galerien 43 Positionen ausgewählt und zu einer Sonderausstellung zusammengestellt. Dort tummeln sich Berliner Kunstschaffende wie Franz Ackermann, Jonathan Meese, John Bock und Daniel Pflumm. Nach dem Willen van der Leys soll die Präsentation lokaler Kunstaktivitäten in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Denkbar seien Ausstellungen wie „Made in Paris“ oder „Made in Poland“.

Aussteller, die 2003 vertreten waren, bewerteten das Geschäft durchaus positiv: „Weil einige der großen Galerien abgewandert waren, konnten die auf dem Art Forum präsenten Galerien höhere Umsätze verzeichnen“, sagt Katia Reich, Geschäftsführerin der Galerie Wohnmaschine, die dieses Jahr bei „Made in Berlin“ die Schweizerin Valerie Favre präsentiert. Was immer die Motive für die Rückkehr sein mögen: Tatsache ist, dass bis auf Neugerriemschneider alle „abtrünnigen“ Galerien zurück auf die Berliner Messe gefunden haben. So hört man ein deutliches Aufatmen in der Berliner Galeristenszene. Vom Sterben des für den lokalen Markt so wichtigen Art Forums redet vorerst keiner mehr. Van der Ley spricht sogar von einem „klar messbaren Stimmungswandel“. Doch so uneingeschränkt lässt sich die Akzeptanz der Messe nicht feststellen.

Auch 2004 funktioniert Namedropping in Berlin so, dass man aufzählen kann, wer nicht kommt: Die Zeit, in der wichtige Galerien aus Großbritannien, den USA oder der Schweiz einen Abstecher an die Spree machten, scheint vorerst vorbei zu sein. Doch vielleicht liegt in der Tatsache, das das Art Forum momentan für Galeriegiganten nicht lukrativ oder nicht hip genug ist, auch eine Chance: Die junge Messe könnte ihr Profil schärfen, wenn ihr eine inhaltliche Neuorientierung gelingt – möglicherweise durch den längst erwarteten Brückenschlag nach Osteuropa. Eine Sonderausstellung „Made in Poland“ wäre schon eine spannende Sache. Man müsste allerdings mehr osteuropäische Aussteller aufs Art Forum bringen – dieses Jahr sind es nur fünf –, was mit Problemen behaftet ist, weil diese Galeristen oft nicht die Mittel für internationale Auftritte haben.