berliner szenen Abends im Jahnstadion

Fit für den Herbst

Was ist doch der Herbst für eine wunderbare Jahreszeit. Wer jetzt zu laufen beginnt, der hat im November die Hormone so weit im Griff, dass sie bei Anstrengung sofort mit Glücksgefühl antworten. Und spätestens im Dezember dann ist der Winter ein guter Freund – besser so, denn er wird eine Weile bleiben.

Herbst also. So kann man schon am frühen Abend im Schutze der Dunkelheit und in Joggingbekleidung unerkannt durch die Stadt fahren, zum Jahnstadion am Mauerpark, wo sich die Könner treffen und die Versucher. Die Flutlichter lassen die Läuferkörper harte Schatten werfen, und mit der Fliegermütze auf dem Kopf sieht die eigene Silhouette recht futuristisch aus.

Auf den Bahnen ist konzentrierte Betriebsamkeit. Am Rand werden Yoga oder gymnastische Übungen der alten Schule gemacht, in der Mitte wird Fußball gespielt: „Mensch Männer, los“, ruft der Trainer und „Links, Uwe, links“ die Spieler.

Wer langsam genug läuft, der kann eine Sammlung der Laufstile anlegen. Da sind die gestreckten Schnellen mit dem raumgreifenden Schritt. Und da sind die, die trotz Mitbewegung eigentlich unbeteiligter Körperteile, etwa des Kopfes oder der Hüften, erstaunlich schnell sind. Da sind die mit dem runden Rücken, die hastig nach vorne stolpern, und die, die kaum die Füße heben. Oder der mit der engen Laufhose und den hübschen Waden: oben gerade und stolz wie ein Ritter und unten wie das Ritterpferd, die Knie nach vorne geworfen.

Schließlich sind die Fußballer fertig und tragen die Tore weg. Als sie dann gehen, geht auch das Licht aus, und sehr plötzlich ist es sehr dunkel. Die Routinierten laufen weiter, immer im Kreis. Zurück am Fahrad ist auf dem Sattel Reif. Es ist Herbst.

KATRIN KRUSE