Macht nix, Messias

Dank eines 1:2 in Freiburg weiß man auf Schalke nun, dass Heynckes‘sches Handauflegen allein nicht reichen wird

FREIBURG taz ■ Ein Messias arbeitet nicht. Das hartnäckige Studieren wissenschaftlicher Zusammenhänge, das Absolvieren einer schnöden Ausbildung, sich in schweißtreibender Maloche dem Gelingen der profanen Alltagsdinge widmen – nein, das ist nicht die Sache eines Messias. Ein Messias legt Hand auf. Und alleine dadurch werden Blinde sehend und Lahme gehend. Ja, mit lässiger Leichtigkeit führt ein Messias die Menschen aus ihrem Jammertal, erlöst sie von ihrem Leid. Jupp Heynckes ist kein Messias. Das dämmert spätestens seit Samstag den Menschen in Gelsenkirchen, Ortsteil Schalke.

„Heynckes ist kein Messias, der den Spielern einfach die Hand auflegt und dann spielen alle gut“, bemerkte der Leiter der Lizenzspielerabteilung des Fußball-Bundesligisten Schalke 04, Andreas Müller, nach der bitteren 1:2-Niederlage beim Aufsteiger SC Freiburg lapidar. Gerade mal sechs Punkte stehen auf dem Konto der Ruhrgebietler nach sechs zumeist alarmierend schwachen Spielen. Die Geschichtenwende lässt auf sich warten, tief drin im Revier.

Dabei dichteten sie dem 58-jährigen Heynckes in Schalke messianische Züge an. Der unsichtbare Neubarth, der Möchtergern-Trainer Wilmots: Sie wirkten plötzlich wie Gestalten aus einer dunklen, fernen Zeit. Und der neue Trainer Heynckes schürte die Erwartungen nach der verkorksten letzten Saison. „Don Jupp“ prophezeite kühn: „Diese Mannschaft hat das Potenzial, sich direkt für einen europäischen Wettbewerb zu qualifizieren.“ Von diesem Saisonziel wollte Andreas Müller auch am Samstag nicht abgehen, die Saison sei schließlich noch lang. Aber er sagt auch: „Wir müssen intern eng zusammenstehen. Wir haben keine leichte Aufgabe. Die Mannschaft braucht Zeit.“

Müller weiß, dass das „keiner hören will“, in der nach Erfolg lechzenden Gemeinde des Kuzorra-Klubs. Der Glaube an Jupp Heynckes indes ist ungebrochen: „Der Jupp schafft das auch“, glaubt Müller. Und Heynckes weiß auch wie: „Wir müssen arbeiten. Hart arbeiten!“ Was anderes bleibt ihnen auch gar nicht übrig. Das Spiel bei den wie in besten Zeiten aufspielenden Breisgau-Brasilianern entlarvte die Schwächen der Blau-Weißen gnadenlos und verbannte sie ins graumäusige Mittelfeld. Und Volker Finke, Freiburgs Trainer, hatte Recht, als er den einzigen Kritikpunkt an den Seinen zum Besten gab: „Wir hätten höher gewinnen müssen.“ Dies gestand auch Heynckes „ehrlich“ ein. Nach einer gelb-roten Karte für den zappeligen Schalker Innerverteidiger Matellan aus der 50. Minute stürmten Finkes flinke Wusel viermal alleine auf Rost zu, verpassten dabei aber teilweise kläglich, dem Ergebnis die angemessene Deutlichkeit einzuverleiben.

Es hätte also ein Debakel werden können für die Schalker, von denen ihr Manager Rudi Assauer nach wie vor träumt, sie als „dritte Kraft“ hinter Bayern und Dortmund in Fußball-Deutschland zu positionieren. Doch davon sind sie so weit entfernt wie Heynckes davon, mit ein paar saloppen Formulierungen Wasser in Wein zu verwandeln. Assauer verließ den kleinen Presseraum des Dreisamstadions wortlos und Heynckes analysierte gewohnt steif: „Wir haben wegen des UI-Cups eine Vorbereitung mit atypischen Bedingungen absolviert.“ Auch Heynckes fordert Zeit für die Integration der Neuen. Dies gehe nicht von heute auf morgen, die Mannschaft befinde sich im Umbruch. Der wird allerdings kurzfristig kein Aufbruch ins Licht sein. Müller jedenfalls schwant Böses: „Wir könnten bis zur Winterpause auch in gefährliche Regionen abrutschen.“

Diese Befürchtung ist nicht unbegründet. Im Sturm versiebt Agali so viele Chancen, wie Gerd Müller einst Tore schoss, die Beine des talentierten Altintop werden noch schwerer und sein Kopf noch müder werden, Matellans Nervosität nur die Abwehr nicht mehr verunsichern, wenn er auf der Bank sitzt, und van Kerckhoven die Meisterschaft im Fehlpassen wohl an den Kollegen Poulsen verlieren. Gewiss, Leistungsträger wie Böhme, Sand, van Hoogdalem und der Zigarettenschmuggler Hajto fehlten. Doch sind die nicht schon über ihrem Leistungszenit?

Harte Maloche ist angesagt im Kohlenpott, um die Kundschaft auf der immer ausverkauften Arena zufrieden zu stellen. Handauflegen allein wird nicht helfen. TOBIAS SCHÄCHTER