„Stuttgarter Erklärung“ für mehr Mitspracherecht

Mit einem Kongress zum Thema „Integration und Partizipation von Migranten in Europas Städten“ lud der Europarat zum Erfahrungsaustausch ein

Der Generalsekretär des Europarats, Walter Schwimmer aus Wien, fühlte sich nachgerade überintegriert: Stuttgart sei eine dermaßen integrative Stadt, flachste er zur Eröffnung, dass man ihn gleich eingebürgert habe: „Walter Schwimmer – Deutschland“ hatte man ihm auf sein Kongresschildchen geschrieben.

Dennoch: Angesichts der tatsächlich existierenden Stuttgarter Bemühungen um mehr Teilhabe von Migranten war es kein Zufall, dass der Europarat in der vergangenen Woche hier tagte, um die so genannte „Stuttgarter Erklärung“ zum Thema „Integration und Partizipation von Migranten in den Städten Europas“ zu verabschieden.

350 Vetreter aus 30 Ländern waren der Einladung des „Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas“, einer Unterorganisation des Europarats und der Stadt Stuttgart, gefolgt. Zwei Tage lang wollte man Erfahrungen der Kommunen austauschen, Netzwerke bilden und so dafür sorgen, dass Migranten künftig in mehr Städten eine größere Chance und zumindest auf kommunaler Ebene die gleichen Rechte wie die einheimische Bevölkerung bekommen.

Integration sei eine „Kernfrage für den Zusammenhalt und das Überleben unserer Gesellschaft“, konstatierte Schwimmer zur Eröffnung. Der Europarat sei gefordert, es seinen 45 Mitgliedstaaten zu „erleichtern, den neuen Bürgern einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft zu verschaffen“. Sich dabei an die Kommunen zu wenden, sagte Schwimmer, sei nur folgerichtig: In fast allen Ländern seien sie es, die die Integration umzusetzen hätten.

In der Diskussion wurde dann aber vor allem deutlich, dass Europas Städte in der Frage der Beteiligung von Migranten weit voneinander entfernt sind. Während man in Rotterdam die Ausländerbeiräte schon wieder abgeschafft hat und stattdessen 8 von 25 Sitzen im Gemeinderat Migranten vorbehält, beschränkt sich das integrative Moment der Moskauer Stadtregierung bislang noch auf die Erkenntnis, dass Migranten zu ernsthaften Wettbewerbern um Arbeit und Wohnungen werden können.

In Barcelona ist der Ausländerbeirat seit Jahren in stetigem Ausbau begriffen und hat inzwischen 35 Mitglieder; in Stuttgart hat man das beratende Organ längst in „Internationalen Ausschuss“ umbenannt. „Wer Ausländerbeiräte ernst nimmt, muss sie aus der Gastarbeiternische befreien“, sagt der Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Und Memet Kilic, Vorsitzender des Bundesausländerbeirats, findet Beiräte zwar sinnvoll, „weil sie im Unterschied zu Migrantenorganisationen demokratisch gewählt werden“, hat aber auch erlebt: „Wir haben wenig zu sagen.“

Der Vizebürgermeister Bolognas, Giovanni Sallizonim, lehnt zwar nicht etwaige Beiräte, aber den Begriff „Integration“ ab: Das klinge nach „kultureller Kolonialisierung“ und stehe auf dem Index. „Bologneser sein“ bedeute, solidarisch zu sein: „Jeder soll seine Identität behalten und schlicht die Regeln zivilen Zusammenlebens achten.“

Die „Stuttgarter Erklärung“, die am Ende des zweitägigen Kongresses verabschiedet wurde, fordert, dass auch Nicht-EU-Ausländer das kommunale Wahlrecht erhalten sollen. Das Erwerben der Staatsbürgerschaft soll erleichtert und die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht werden. Es werden Chancengleichheit, Meinungsfreiheit und Freiheit der Religionsausübung für alle gefordert. Kulturelle Vielfalt soll in Europa so verstanden werden, dass auch der öffentliche Dienst und andere städtische Angebote interkulturell ausgerichtet werden. Das Stuttgarter „Bündnis für Integration“ (siehe oben) soll europaweit Vorbild werden für ähnliche Einrichtungen. JEANETTE GODDAR