Deutsch-polnische Versöhnung „auf Schalke“

Kanzler Schröder und Premier Miller wollen den Streit um das geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“ entschärfen

WARSCHAU taz ■ Deutsche und Polen mögen es symbolträchtig. Um die enge Verbundenheit zu betonen, hat das Kanzleramt das Fußballstadion „Auf Schalke“ in Gelsenkirchen für die Regierungskonsultationen ausgesucht. Im Ruhrgebiet leben zehntausende Polen und Deutsche mit polnischer Abstammung. Und die Namen polnischer Fußballstars kennt in Deutschland jedes Kind. Wenn sich heute Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Ministerpräsident Leszek Miller (SLD) in Gelsenkirchen treffen, soll das sportliche Ambiente für gelöste Stimmung sorgen.

Das ist auch bitter nötig, denn die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen sind so schlecht wie lange nicht mehr. Noch dazu stehen diesmal besonders wichtige Themen an: die erste europäische Verfassung, die künftige Europapolitik, die Entwicklung im Irak und – als heißestes Eisen von allen – das in Berlin geplante Zentrum gegen Vertreibungen. Dieses Zentrum nämlich ist es, das die Stimmung in Polen in den letzten Monaten auf den Siedepunkt gebracht hat. Monatelang tobte dort eine heiße Diskussion über Täter und Opfer des Zweiten Weltkriegs, die von deutschen Politikern überhaupt nicht wahrgenommen wurde.

Erst letzte Woche wachte man in Berlin auf. Erika Steinbach, die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) und zugleich Initiatorin des Zentrums gegen Vertreibungen, ritt auf der Titelseite des konservativen Nachrichtenmagazins Wprost als Nazi-Domina auf dem Rücken von Bundeskanzler Schröder. Zwar hat Leszek Miller die Karikatur als „geschmacklos“ kritisiert. Doch in Polen hat bislang niemand gegen den antideutschen Hetztitel protestiert.

Dies hängt nicht nur mit der monatelangen Harthörigkeit der deutschen Politiker zusammen, sondern auch mit dem Gefühl vieler Polen, dass die Deutschen sich mehr und mehr vom Freund zum Gegner wandeln. In fast allen wichtigen europapolitischen und internationalen Fragen ist man derzeit anderer Meinung.

Die tiefe Entfremdung zwischen beiden Ländern begann mit dem Irakkrieg. Die enge deutsch-französische Zusammenarbeit in der EU und immer wieder auch mit Russland weckte in Polen tiefes Misstrauen. Da der Entwurf für die erste europäische Verfassung unter Leitung eines Franzosen entstand und die Deutschen sie in dieser Form akzeptieren wollen, ist allein dies schon für viele Polen ein Grund, dagegen zu sein. Dass die Deutschen in Polen nun wieder als verkappte Nazis angesehen werden, wird die Verhandlungen heute und die künftige Zusammenarbeit in der EU nicht gerade erleichtern. GABRIELE LESSER