Kollegen in der Klemme

VON KIRSTEN KÜPPERS

Es braucht nicht Hansi, der hinter einem Plastikteller mit einem asiatischen Nudelgericht sitzt. Es braucht nicht, dass er in seinem karierten Hemd an einem Tisch sitzt, in einem kahlen Raum irgendwo in einem alten Haus in Berlin-Prenzlauer Berg. Es braucht nicht den Satz, den er sagt. „Den offiziellen Gewerkschaften geht es schlecht“, meint er, und ein Lächeln schummelt sich ins breite Gesicht.

Man hat es auch so gewusst.

Es ist keine gute Zeit für Gewerkschaften in Deutschland. Es sieht so aus, als lauerten überall nur Probleme. Die Chefs der großen Unternehmen drohen mit Abwanderung. Kürzlich hat die IG Metall in Sindelfingen dem Daimler-Vorstand bei seinen Sparplänen geholfen. Friedrich Merz sägt am Kündigungsschutz. Gerade füllen hunderttausende von Arbeitslosen Hartz-IV-Formulare aus, um hinterher mit weniger Geld dazustehen. Es nimmt kein Ende. Der alte Sozialstaat wird auseinander genommen. Die Gewerkschaften wollen dagegen halten, aber die Mitglieder laufen davon.

Der Anarchosyndikalist

Jetzt gibt es montags Demonstrationen. Auch Gewerkschafter gehen auf die Straße. Aber dem früheren Bündnispartner SPD fällt zu protestierenden Gewerkschaftern nur das Schlimmste ein. Im April erklärte der Vorsitzende Franz Müntefering, die Gewerkschaften hätten keine brauchbaren Zukunftskonzepte. Hans Eichel, der Finanzminister ließ in Interviews ausrichten: „Denen muss gesagt werden, dass sie außerhalb der Realität leben.“ Gerhard Schröder sagt immer wieder, er sehe keinen Handlungsbedarf.

Das sind einfache Botschaften. Man muss nicht, wie Hansi in Berlin, seine Freizeit bei einer Gruppe verbringen, die sich „Anarchosyndikalisten“ nennt, um sie zu verstehen. Man muss keine Zeitung herausgeben, die die Emanzipation von Kapitalismus und die Solidarität mit andalusischen Werftarbeitern fordert, um das zu begreifen.

Hansi, der Anarchosyndikalist in dem alten Haus in Prenzlauer Berg ist nicht mehr ganz jung, er studiert ein bisschen Politikwissenschaften, außerdem jobbt er als Filmvorführer. Er kauft billige Nudelgerichte vom Imbiss und wahrscheinlich wird es mit der Abschaffung des Kapitalismus in Deutschland schwer. Aber es kann sein, dass er Recht hat, wenn er von der „miefigen Bratwurststimmung“ spricht, die über allen Gewerkschaftskundgebungen hängt. Von der Schwerfälligkeit des Apparats. Vielleicht sind Würste und Apparat tatsächlich nicht ganz unschuldig an der Misere.

Aber irgendwann fängt Hansi mit einem Grund an, der besser klingt für einen Anarchosyndikalisten. Er ist für die radikale Umwälzung der Verhältnisse, er hat nichts zu verlieren. Also sagt er: „Die DGB- Gewerkschaften fahren ihr altes Programm. Sie klammern verzweifelt am Burgfrieden zwischen Arbeit und Kapital. Dabei wurde der von Arbeitgebern und Regierung schon lange aufgekündigt.“

Und mit dieser Kritik im Kopf kann man ja wirklich einmal zum Chef des deutschen Gewerkschaftsbundes gehen und fragen, wie es steht mit dem Burgfrieden in diesem Land?

Herr Sommer – hoch oben

Michael Sommer ist ein schwerer Mann, der hoch oben im DGB-Haus in Berlin-Mitte sitzt, hinter ihm liegen die Dächer der Stadt. Früher einmal hat Sommer bei der Post gearbeitet. Heute ist er so weit oben, dass der Weg nach unten weit scheint.

„Wir sind wesentlich besser dran als vor einem Jahr“, antwortet Sommer. Die Stimme klingt heiser, er legt die Brille in die Hand, zupft an seiner Krawatte. Er ist noch nicht drin in der Rolle. Was ist mit dem Streit um die Verlängerung der Arbeitszeiten? Sommer spricht von „flexiblen Lösungen“. Er kommt in Fahrt: „Aber länger malochen, auf Kosten derjenigen, die keine Arbeit haben – das ist der falsche Weg.“ Er hangelt sich nach unten zu den einfachen Leuten, er ist jetzt fast da. Gleich will er Steuern erheben bei Großkonzernen und Fußballstars.

Einer Illustrierten hat Sommer gerade erzählt, die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung bedeuteten „für hunderttausende ein Verarmungsprogramm“. Hier sagt er nur: „Wir werden immer Druck aufbauen, wenn die soziale Balance in Gefahr ist. Der Politik wird es nicht gelingen, den Protest auszusitzen“, er kratzt sich am Ohr. Er lacht. Und weil es gerade gut läuft, zitiert er noch den Liedermacher Franz Josef Degenhardt. Der habe auch gewarnt vor der Rast.

Die Sekretärin platzt herein, der DGB-Chef muss los, jede Viertelstunde ein neuer Termin. Und hinterher denkt man, dass einer ganz schön romantisch sein muss, wenn er mit Degenhardt ankommt in einer Welt, in der die Unternehmer die 50-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich fordern und Friedrich Merz stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender ist.

Ein CDU-Mann springt bei

Aber es gibt ja viele Mitglieder in der CDU. Auch Arbeitnehmervertreter. Zum Beispiel Ralf Brauksiepe. Ein paar hundert Meter weiter die Straße runter sitzt er in einem farblosen Büro. Die blonde Pressesprecherin wartet daneben, sie hat eine Sonnenbrille im Haar und alles, was zitiert wird, muss vorher von ihr freigegeben werden. Ralf Brauksiepe trägt einen blauen Anzug, seine Krawatte hat ein Tulpenmuster. Er ist der Hauptgeschäftsführer der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), dem Arbeitnehmerflügel der Partei. Und Brauksiepe findet ja auch: „Eine Schwächung der Gewerkschaften wird diesem Land nicht helfen. Die Gewerkschaften sind in vielerlei Hinsicht besser als ihr Ruf. Gerade was flexible Regelungen in den Betrieben angeht.“

Man kann sich das vorstellen: Die Arbeitnehmer in der CDU sind von den Vorschlägen ihrer Parteikollegen auch nicht immer begeistert. Vielleicht legt Brauksiepe deswegen ein gutes Wort für die Gewerkschaften ein. Weil man aber auch was dagegen sagen muss, fällt ihm die Energiepolitik ein. „Hier vermisse ich ein größeres Engagement der Gewerkschaften.“ Und weil das nicht reicht, ruft er laut: „Wie sieht’s denn aus mit unserem Know-how in der Kernenergie?“ Die Pressesprecherin guckt still auf den Boden.

Der Professor in der Krise

Das Zimmer von Professor Bodo Zeuner am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin ist leer. Seit Jahrzehnten ist Zeuner auf Gewerkschaften spezialisiert. Von ihm wäre eine fundierte Analyse zu erwarten. Aber Zeuner macht Mittagspause. Beim Italiener. Da sitzt er in seiner zerknautschten Lederjacke zusammengesunken auf einem Stuhl, bestellt Salat, Fleisch und Rotwein. Und bei Rotwein kann man sich denken, dass es grundsätzlich wird.

Die „Auflösung der Normalarbeitsverhältnisse“, erklärt Zeuner, sei einer der Gründe für die Krise der Gewerkschaften. Das ist klar: Wenn ein Mensch nicht mehr ein Leben lang bei VW am Band steht, sondern heute als freiberuflicher Softwareentwickler arbeitet, morgen als Türsteher und übermorgen als Bestsellerautor, fragt er sich schon, was bringt ihm die Mitgliedschaft in einer Massenorganisation.

Und hier liegt schon der Fehler. Bodo Zeuner tunkt ein Stück Brot in die Salatsoße. „Die Menschen müssen begreifen, dass die Leistungen einer Gewerkschaft nicht von selbst kommen. Sie müssen Druck machen. Gemeinsam und solidarisch. Die Montagsdemos sind deshalb ein richtiger Weg. Eine Gewerkschaft ist nur so stark wie ihre Mitglieder.“ Bodo Zeuner wirkt ein bisschen altmodisch, wie er das sagt, mit seiner Jacke und dem Rotwein. Man sieht schon, dass hier einer spricht, der noch an die Gewerkschaften glaubt. Der denkt, dass wenn die Schwachen zusammenrücken – dann wird es schon gehen.

Und wo der alte Solidaritätsgeist gerade beschworen wird, kann man auch gleich dorthin gucken, wo die Welt der Gewerkschaften noch in Ordnung ist. Da, wo schon beim Einstellungsgespräch einer vom Betriebsrat die neuen Lehrlinge abfischt. Wo bei 98 Prozent Organisationsgrad in einem Betrieb bereits nachgefragt wird, ob etwas nicht stimmt. Wo schon der Großvater unten in der Grube die Kohle gehauen hat. Und die Männer immer noch im Schnitt mit 65 sterben wegen Staub in der Lunge. Wo die Frau sorgenvolle Augen kriegt, wenn der Mann eine Viertelstunde zu spät zum Abendessen kommt. Weil dann die Angst vor Sirenen und Rettungshunden losgeht. Weil man immer mit so was rechnen muss beim Bergbau.

Dicke, schmutzige Männer

Die Männer der Zeche Luisenthal bei Saarbrücken sitzen nach der Schicht im Betriebsratszimmer. Es sind dicke, schmutzige Männer. Sie essen Wurst und trinken Cola light. „Dreck verbindet“, sagen sie. Und damit meinen sie, dass seit 1972 bei ihnen im Saarland kein Bergmann in die Arbeitslosigkeit gegangen ist. Die Gewerkschaft hat den Männern gute Gehälter erstritten und durchgesetzt, dass der Staat bei der Kohleförderung nicht auf Wirtschaftlichkeit schaut. Stattdessen wird der Bergbau jährlich mit 2,71 Milliarden Euro subventioniert. Und auch wenn die Gruben in Deutschland langfristig geschlossen werden sollen und der Standort Luisenthal sogar schon nächstes Jahr dichtmacht, schicken die Männer hier ihre Kinder noch zur Lehre in die Zeche. So als könne die schöne Verbindung aus Dreck und Macht für alle Ewigkeit halten. „Bis jetzt hat es ja immer gut funktioniert“, meint einer.

Und wenn man die Männer von der Zeche Luisenthal also fragt, was denn dann zu tun ist in der gegenwärtigen Situation, wo „Globalisierung“ zu einem bedrohlichen Wort geworden ist und die Gewerkschaften nicht nur gegen die Unternehmen und die Politik kämpfen, sondern gegen die ganze Welt, ruft derselbe Bergmann: „Wir dürfen nicht aufgeben, was unsere Großväter erkämpft haben!“ Und ein anderer poltert: „Man muss die Muskeln spielen lassen!“ Und dann erzählen sie, wie es war als Wirtschaftsminister Günther Rexrodt vor knapp zehn Jahren mit zitternden Knien vor 100.000 streikenden Bergleuten gestanden ist. Die Männer von Luisenthal denken an gestern, nicht an morgen, sie stoßen sich mit den Ellenbogen und zwinkern sich zu.

Die IG Metall redet weiter

Aber in ein paar Stunden fährt die nächste Schicht in die Grube, der Chef der zuständigen Gewerkschaft Bergbau, Chemie Energie, Hubertus Schmoldt, gilt als Kanzlerfreund, und selbst gut 150 Kilometer entfernt, im IG-Metall-Haus in Frankfurt am Main steht Hans-Jürgen Urban und sagt: „Der Zeitgeist ist nicht mehr so.“

Es ist nicht mehr so wie früher, als sich in Deutschland Arbeitnehmer und Arbeitgeber an langen Tischen gegenübersaßen und bis tief in die Nacht zweistellige Lohnerhöhungen und die 35-Stunden-Woche aushandelten. Urban ist heute 61 Jahre alt, und wenn er vom Konferenzsaal des IG-Metall-Hauses auf die Gegenwart guckt, hebt er hilflos die Hände und meint: „Zur Zeit herrscht eine Mentalität des ,Rette sich, wer kann‘.“

Urban redet weiter. Es ist sein Job, der IG Metall Konzepte für diese Situation zu entwickeln. Er zählt auf: „Die Unterwerfung unter angebliche Sachzwänge halten wir für falsch. Auch das unkritische Mitmachen bei der Agenda-Politik würde unter unseren Mitgliedern zu Unmut führen. Es ist daher wichtig, dass wir für unsere politischen Alternativen werben und dafür gesellschaftliche Bündnispartner suchen. Daher diskutieren wir nicht nur mit Parteien, sondern auch mit Vertretern von Attac, Wohlfahrtsverbänden, kirchlichen Gruppen und anderen.“ Aber dann passiert es trotzdem, dass die Daimler-Chefs längere Arbeitszeiten fordern.

„Die Lage ist schwierig, aber es gibt keinen Anlass für zu viel Pessimismus“, meint Urban. Zuversicht ist wichtig, damit einen der Schmerz nicht frisst. Urban probiert, ein frohes Gesicht zu machen. Auch bei der IG Metall muss man sich mit Hoffnung frisch halten. Joschka Fischer, sagt Urban, habe ja neulich auch erklärt, dass Sparen nicht immer der richtige Weg sei.

Endlich ein Gegenbeispiel

Und tatsächlich – man muss auch von anderen Vorkommnissen berichten. Wenn es stets heißt, die Menschen nähmen Reißaus vor den Gewerkschaften, dann sind Patrick Scheib und seine Kumpels von der IG Bauen, Agrar, Umwelt ein gutes Gegenbeispiel. Patrick Scheib ist 30 Jahre alt, er trägt einen schwarzen Kapuzenpullover und nennt sich selbst „einer von Schröders verdeckten Arbeitslosen“. Als gelernter Glas- und Gebäudereiniger findet er keinen Job und ist jetzt bei einer Personalserviceagentur untergekommen.

Das Verrückte an Scheib und seinen Kumpels besteht darin, dass sie gegen die Entwicklung stehen. Sie finden neue Anhänger. Andauernd. Sie gehen in die Schulen, sie stellen sich in Berlin und Brandenburg vor Klassen von gelangweilten Berufsschülern und machen Reklame. Mehr als 1.300 Jugendliche haben sie im letzten Jahr für ihre Gewerkschaft geworben. Und das ist ja wirklich eine Leistung. Wo es mit den Jugendlichen in Ostdeutschland so schwer ist. „Was bringt uns das?“, fragen die Jugendlichen. „Wir werden doch sowieso arbeitslos.“ Und ganz Unrecht haben sie damit nicht.

Aber da kann sich Scheib vor sie hinstellen, er ist ja selbst arbeitslos, er kann erzählen, dass es längst nicht mehr so ist wie früher, als die Gewerkschaften nur Politik für die Beschäftigten gemacht haben und wer in die Arbeitslosigkeit gefallen ist, war ihnen egal. Inzwischen gibt es bei fast allen Gewerkschaften Erwerbsloseninitiativen. Scheib hat mit Hilfe der Juristen von der IG Bauen gegen sein Arbeitsamt geklagt und Geld erkämpft. Und das ist schon was, das Eindruck macht bei ostdeutschen Jugendlichen, die in Stuhlreihen hängen, mit leerem Blick und wenig Hoffnung.

Dann redet Scheib von den Partys, die sie in den Jugendgruppen machen, von den Rhetorikseminaren, die man belegen kann. Und spätestens mit den Partys hat er in den Berufsschulen von Wittenberge, Oberbarnim oder Erkner die meisten. Viele füllen den Mitgliedsbogen noch im Klassenzimmer aus. „Und wenn sie erst mal drin sind, dann sind sie da“, meint Scheib. Er guckt zufrieden. Wie ein Tier, das Beute gemacht hat.

Eine Frau weiß Bescheid

Carmen Bahlo weiß, wie die Dinge laufen im Osten. In einem Minirock und einem rosa T-Shirt geht die 41-jährige Maschinenbauingenieurin durch ihr karges Betriebsratszimmer. Die Dauerwelle ist kraus, die Augen gucken lieb. Vor 25 Jahren fing Carmen Bahlo beim „Ifa Getriebewerk“ an. Das Werk war eine hässliche Fabrik und lag draußen im Industriegebiet vor der Stadt Brandenburg, es war Teil des „Kombinats Nutzfahrzeuge“. Seit 1991 heißt die Fabrik „ZF Getriebe GmbH“ und gehört zu einem westdeutschen Autozulieferkonzern mit weltweit 55.000 Angestellten. 600 von ehemals 3.000 Beschäftigten arbeiteten nach der Übernahme in Brandenburg weiter. Carmen Bahlo setzt sich in ihrem Zimmer an den alten Resopaltisch, auch der Sessel ist noch von früher. Und, oh ja, sagt Carmen Bahlo, als Betriebsrätin weiß sie, wie die Dinge hier im Osten mit den Gewerkschaften laufen.

Sie fängt nicht an mit den neuen Montagsdemonstrationen. Sie beginnt mit dem Tarifstreik im letzten Sommer: Sie haben mitgestreikt bei der ZF Getriebe GmbH. Die Maschinen standen still, die Leute brachten Kaffee in Thermoskannen, die Stimmung war gut. Die Busse, mit denen die Kollegen aus Salzgitter und Braunschweig kamen, um den Ostlern zu zeigen, wie richtiger Protest funktioniert, hätten sie gar nicht gebraucht, meint Bahlo. Dann kam die Polizei auf das Gelände, die Geschäftsführung hat bei den Streikenden zu Hause angerufen. Sie hat Druck gemacht bei den Familien.

Da bleiben Narben zurück

„Die nervliche Anspannung war immens“, erzählt Bahlo. „Aber dann kam das Schlimmste, was passieren konnte.“ Der Streik wurde abgebrochen. Einfach so. Ohne Urabstimmung. Ohne Rücksprache. Carmen Bahlo hat es aus dem Fernseher erfahren. Und da habe man gemerkt, meint die Betriebsrätin, dass man nur eine Verschiebemasse im Machtkampf zwischen den Gewerkschaftsoberen Klaus Zwickel und Jürgen Peters gewesen war. „Das war ein Riesenfrust.“ Bahlo guckt auf die Tischplatte. „Da bleiben Narben zurück.“

Die Menschen in Ostdeutschland haben ein spezielles Verhältnis zu Gewerkschaften. Weil die Organisationen zur DDR-Zeit zum Machtapparat gehörten, sind die Leute skeptisch. „Wenn sie doch eintreten, haben sie eine riesige Erwartungshaltung“, erklärt Bahlo. Der gescheiterte Streik hat Wunden gerissen. Die Männer mit den Thermoskannen fühlten sich verraten. Viele sind damals ausgetreten.

Und heute? Die Situation ist nicht besser. „Als ostdeutsche Beschäftigte fühlt man sich von den Gewerkschaftsoberen oft vergessen“, meint Carmen Bahlo. Sie geht neuerdings montags mit ihren Kollegen demonstrieren. „Nicht als Betriebsrätin, sondern als Privatmensch“, sagt Bahlo und lacht spitz.