Chirac links, Blair rechts – und der Bundeskanzler in der Mitte

Der Dreiergipfel zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien brachte keine Einigung in der Irakfrage, aber Erkenntnisse über das neue politische Gewicht Schröders

BERLIN taz ■ „Um ganz ehrlich zu sein“, sagte Jacques Chirac, und Tony Blair neben ihm schaute jetzt nicht mehr ganz so entspannt wie gerade eben noch. „Ich glaube, dass die UNO eine viel größere Verantwortung haben sollte.“ Das saß. Aber der französische Präsident war noch nicht fertig. „Ich wiederhole noch einmal: Was uns anbelangt, ist es unser Wunsch, dass ein echter und sofortiger Souveränitätstransfer an die Iraker erfolgt …, und zwar unter der exklusiven Kontrolle der Vereinten Nationen. Dies ist der französische Ansatz.“ Ende der Durchsage.

Chirac hatte gerade zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten den britischen Premierminister zurechtgewiesen. Blair hatte zweimal darauf bestanden, dass bei allen Unterschieden in der Irakfrage eine Einigung über eine UN-Sicherheitsratsresolution nächste Woche in New York wahrscheinlich sei. Er hatte dafür hier auf dem Dreiergipfel in Berlin sogar zwei Zugeständnisse an die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich gemacht: „Natürlich soll die Regierungsgewalt so bald wie möglich an die Iraker übergeben werden“, hatte Blair gesagt und zugleich eingeräumt, dass die UNO dabei eine Schlüsselrolle spielen sollte. Aber Chirac schien dass irgendwie nicht zu passen. Er hielt die französische Fahne hoch.

Symptomatisch für dieses kleine französisch-britische Scharmützel auf der Pressekonferenz nach dem Dreiergipfel im Berliner Kanzleramt war die Position Gerhard Schröders: Er stand in der Mitte, zwischen dem Präsidenten und dem Premier, nicht mehr ganz so dicht bei Chirac wie noch während des Irakkrieges, aber noch nicht so nah bei Blair, dass man ihm Anbiederei vorwerfen könnte.

Der Kanzler ist auch dafür, die irakische Souveränität „so rasch wie möglich“ herzustellen, beharrt aber, anders als Chirac, nicht auf der Festlegung, das meine „wenige Monate“. Wenn er es recht sehe, hatte Gerhard Schröder während des zweistündigen Gesprächs vermittelt, seien die drei Länder in der Irakfrage gar nicht mehr so weit auseinander. Alle wollten Stabilität für den Irak, und alle wollten eine wichtige Rolle für die UNO. Nur über das Tempo und den Weg dorthin gebe es noch Diskussionsbedarf. Diese Klärung sollte man dem UN-Sicherheitsrat in New York überlassen. Diese Einschätzung teilten Chirac und Blair.

Umso verärgerter waren die Schröder-Leute hinterher, dass durch die Pressekonferenz der Eindruck entstanden sei, Deutschland, Frankreich und Großbritannien hätten sich in der Irakfrage nicht aufeinander zubewegt. Ohnehin seien durch den Irak die eigentlich wichtigen Ergebnisse des Treffens aus dem Blickfeld geraten.

In der Tat hatte sich Großbritannien überraschend der deutsch-französischen Wachstumsinitiative angeschlossen. Die Briten haben außerdem ihre Vorbehalte gegen eine europäische Verteidigungspolitik außerhalb der Nato-Strukturen aufgegeben. Blair stimmte einem eigenen militärischen Hauptquartier der EU zu. Schließlich waren sich alle drei Partner einig darüber, dass der Entwurf des Konvents für eine EU-Verfassung nicht wieder aufgeschnürt werden darf. JENS KÖNIG