Die Angst vor dem Triumphator

Sprachregelung bei der CDU: Stoibers Sieg ist ein Erfolg für die Union und ein Schlag gegen Rot-Grün

BERLIN taz ■ Normalerweise ärgern sich Angela Merkels Helfer, wenn Gerhard Schröder durch die Weltgeschichte reist, den großen Staatenlenker spielt und die Schlagzeilen dominiert. Ihre Chefin, die CDU-Vorsitzende, sieht dann im Vergleich so klein aus. In diesen Tagen aber schauen sie dem Kanzler gern zu. „Das stört uns nicht“, sagt einer aus dem Merkel-Lager und meint die Bilder aus New York, die ab heute kommen werden. Daneben wirkt wenigstens auch der Landtagswahltriumphator Edmund Stoiber nicht mehr ganz so wuchtig.

Die Berichte von der UNO lenken die Aufmerksamkeit ein bisschen ab von der Landtagswahl in Bayern – ein Ereignis, das Merkels Presseleute am liebsten als „ganz normal“ einstufen wollten. Das aber ist nach Stoibers persönlichem Rekord mit über 60 Prozent für die CSU unmöglich. „Überwältigend“ sei das, räumt CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer schon am frühen Abend ein. Jetzt wird alles bayerisch. Auch in der CDU-Zentrale in Berlin gibt es an diesem Abend Leberkäs und Leberknödel. Nur Jubel gibt es nicht. „Herzlichen Glückwunsch“ ist alles, was Meyer noch hervorbringt. Dazu lächelt er verkrampft.

Nichts fürchten die CDU-Strategen mehr als einen überall präsenten Stoiber, einen Stoiber, der sich noch stärker in die Berliner Politik einmischt, der im Bundesrat das Kommando übernimmt und Merkel nervt, weil er wieder für alles Mögliche und Unmögliche ins Spiel gebracht wird: für die nächste Kanzlerkandidatur, als Bundespräsident – oder, noch schlimmer, für die Meinungsführerschaft in der Union.

Dieses Gerede, das ist Merkels Leuten klar, lässt sich nicht verhindern. Aber bremsen. Wichtig war deshalb die erste Botschaft aus Berlin. Sehr erfreulich, dieser Sieg in Bayern, hieß es von der CDU, aber so sensationell auch wieder nicht. Und vor allem: „Auch ein Erfolg für die gesamte Union“ (Meyer). Allen Christdemokraten wurde schon vor Tagen eingebläut, bei ihren Statements zur Bayernwahl zwei Aspekte niemals zu vergessen. Erstens: Stoibers Sieg reiht sich ein in die Serie der CDU-Erfolge bei den letzten Landtagswahlen. Zweitens: Stoibers Sieg ist vor allem „eine Quittung für Rot-Grün“. Und drittens, falls jemand danach fragt: Über den „oder die“ nächste Kanzlerkandidatin wird „frühestens 2005“ entschieden.

Auf dem Weg dahin hat Merkel noch andere Gegner zu bekämpfen als einen kurzzeitig vom Sieg berauschten Stoiber. Den mindestens ebenso ehrgeizigen Roland Koch zum Beispiel. Merkel darf keine großen Fehler machen, wenn sie 2006 ihren Bonus ausspielen will: eine Frau als Kanzlerin! Niemand bezweifelt, dass sie morgen ein glänzendes Ergebnis einfährt, wenn sie zur Neuwahl als Fraktionschefin antritt. Aber ist sie stark genug, um auf alle Tricks von Koch und Stoiber richtig zu reagieren? Blockade oder Nichtblockade der Union im Bundesrat? Merkel hat sich noch nicht festgelegt. Bald muss sie sich entscheiden. Wenn sie zu lang wartet, bis Stoiber sagt, wo's langgeht (etwa bei der Steuerreform), hat sie schon verloren.

Bis jetzt standen ihre Chancen gar nicht schlecht. „Ihr Führungsstil ist intelligent, weil sie integriert“, lobt einer aus der CDU-Fraktionsspitze, der vor der letzten Bundestagswahl noch eifrig für den Kanzlerkandidaten Stoiber geworben hatte. Heute sagt er: „Stoiber hätte auch 70 Prozent in Bayern holen können, das beeindruckt uns nicht mehr besonders.“ Dass der Bayer noch mal antritt, hält er für „sehr unwahrscheinlich. Stoiber hat seine Chance gehabt“, beschreibt er die Stimmung in der Unionsfraktion. Für ihn steht fest: „Wenn Frau Merkel wirklich Kandidatin werden will, dann wird sie es auch.“ Behält der CDU-Mann Recht, bliebe Stoiber nur die Wahl zwischen Ämtern, die er gar nicht anstrebt, die ihm aber gerade deshalb von der CDU angetragen werden: Bundespräsident oder irgendwann Superminister. Unter Merkel. Das wird ihm kaum reichen. LUKAS WALLRAFF