kommentar
: Der Verlierer heißt Schröder

Die Berliner SPD-Spitze hatte schon im Wahlkampf vorgebaut. Seit sich abzeichnete, dass die bayerischen Genossen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einfahren würden, hielt sich die Bundesprominenz demonstrativ fern. In ihrer Not redeten sich die Parteistrategen schließlich ein, das schlechte Ergebnis könne ihnen langfristig sogar nützen – weil der Triumphator Stoiber in der Union weiter zündeln werde.

 Aber so einfach kommt Kanzler Gerhard Schröder nicht davon. Er selbst war in letzter Instanz der SPD-Kandidat des gestrigen Tages. Gegen ihn richtete sich der Zorn des Wahlvolks, nicht gegen den so unbekannten wie unbescholtenen Spitzenkandidaten vor Ort, Franz Maget. Stoiber gegen Schröder, das war gewissermaßen eine Neuauflage des Duells vom vorigen Herbst. Und dieses Duell haben die Wähler gestern nicht so sehr zugunsten Stoibers entschieden, sondern zu Lasten Schröders.

 Denn die CSU hat ihren prozentualen Zuwachs der geringen Wahlbeteiligung zu verdanken. In absoluten Zahlen schnitt sie nicht besser ab als bei der Bundestagswahl. Stoiber wurde nur deshalb zum glänzenden Wahlsieger, weil von den SPD-Wählern des vergangenen Herbstes diesmal ein großer Teil zu Hause blieb. Der Unmut bei sozialdemokratischen Mitgliedern wie Wählern ist groß, und zwar über alle parteiinternen Lager hinweg. Das Berliner Hickhack der vergangenen Monate hat den Eindruck hinterlassen, es würden nur kurzfristig die kleinen Leute geschröpft, ohne dass langfristig eine Reformperspektive erkennbar wäre.

 Da trifft es sich gut, dass der Kanzler heute zu seinem Versöhnungstreffen mit dem US-Präsidenten nach New York aufbricht und die Niederungen der Innenpolitik zurücklässt. Dem Unmut, der sich gestern in Bayern artikulierte, wird er aber nicht so einfach entkommen können. Er wird lauter werden, innerparteilich spätestens auf dem SPD-Parteitag im November.

 Vor allem aber muss Schröder die Chance nutzen, die ihm der Kalender jetzt bietet. Bis zur Europawahl im Juni 2004 tut sich das einmalige Zeitfenster eines Dreivierteljahres ohne Wahlkämpfe auf. Genügend Zeit für den Kanzler, um endlich überzeugend darzulegen, wo er mit seiner Reformpolitik eigentlich hinwill. Und obendrein eine Gelegenheit, mit den Unionsfürsten im Bundesrat ein vernünftiges Wort zu reden – ohne das schrille Wahlkampfgetöse des zurückliegenden Jahres. RALPH BOLLMANN