Hamburg jetzt gottverlassen

Die Suche nach dem Höchsten beendet: Rückblick aufs Musikfest Hamburg

Eine Woche lang war Gott in Hamburg. Nun ist diese Woche vorbei, und das Hamburger Musikfest mit dem gleichnamigen Motto ist am Ende.

Nicht, dass dieses kleine, von Ingo Metzmacher wiederbelebte Festival mit zeitgenössischen Klängen der verschiedensten Art und Grenzgängen zu anderen Künsten unattraktiv oder gar belanglos gewesen wäre. Aber das Motto erwies sich als reichlich fragwürdig: Je weniger konkret ein Veranstaltungsthema formuliert ist, desto weniger ist es inhaltlich zu fassen. Und Gott ist nun wahrlich sehr wenig konkret.

Zwiespältig infolgedessen auch die Umsetzung: Einerseits lehnte man sich bei wenigen Konzerten in der Programmgestaltung sehr eng ans Motto an, andererseits glitten die Programme oftmals ins Beliebige ab.

Zu den thematisch zwingend wirkenden Abenden gehörte das Sinfoniekonzert des NDR, in dem unter anderem Luigi Dallapicolas „Hiob“ in einer vorzüglichen Interpretation zu hören war, genauso wie die Orgelmusik Messiaens, Mauricio Kagels „Der mündliche Verrat“, Sofia Gubaidulinas „Sieben letzte Worte“.

Ebenfalls dem eigenen Motto gerecht – aber das ist auch das mindeste – wurde Ingo Metzmacher mit seinem Orchester beim Abschlusskonzert: Im Programm dieses Abends verknüpfte er eine als Gebet zu interpretierende Sinfonie der Russin Galina Ustwolskaja mit einem großformatigen, religiös inspirierten Orchesterwerk Messiaens und Bernd Alois Zimmermanns „Ekklesiastischer Aktion“. Schade, dass dabei lediglich die bestens musizierte Zimmermann-Vertonung von Texten aus dem Buch Salomo tiefere Eindrücke hinterließ.

Wendet man den Blick auf die weiteren Konzertprogramme, muss man sich indes fragen, was das eine oder andere mit dem übergeordneten Motto zu tun haben sollte. Bestenfalls beim bemüht originellen Glockenkonzert zur Eröffnung könnte man noch davon reden.

Die Gastspiele der „Bang on a Can All-Stars“, des „Ensemble Intégrales“, des „Avanti! Chamber Orchestra“ und von Steve Coleman waren hingegen ganz unterschiedliche Publikumsschichten ansprechende, aber auch ebenso bunt zusammengewürfelte Programmpunkte: Eine schlüssige thematische Verklammerung fehlte. Und das Vorkonzert zum inhaltlich stringenten Programm von Metzmacher hatte mit dem Motto des Festivals rein gar nichts zu tun – war aber vielleicht sein heimlicher Höhepunkt: „Triology“, ein internationales Ensemble mit Operationsbasis Wien brillierte in der Besetzung zwei Violinen und Cello, dass es die reinste Wonne war. Da begaben sich drei in unterschiedlichsten Spielweisen virtuos agierende Musiker auf eine kreative musikalische Weltreise, die vom ersten bis letzten Ton Spaß machte.

Wenn in des Cellisten Tristan Schulzes eigenen Stücken eine österreichische Polka musikalisch zeitweise an die Wolga versetzt wurde oder der berühmt-berüchtigte Radetzky-Marsch durch jazzige Elemente fast zu absurdem Musiktheater wurde, da konnte man nur noch begeistert sein. „Mein Gott, war das gut“, raunte ein Besucher. Also doch ein Bezug zum Motto?

Reinald Hanke