Schlingerkurs gegen den Terror

Thailands Regierung sagt erst, es gebe in dem südostasiatischen Land kein Terrorproblem, dann wird dieses plötzlich für gelöst erklärt, Gesetze werden verschärft und wieder alles für sicher erklärt, nur um danach eine neue Fahndung einzuräumen

aus Bangkok NICOLA GLASS

Der mutmaßliche Topterrorist Riduan Isamuddin alias Hambali hat bei seinen Verhören angeblich ausgepackt. Das jedenfalls behaupten US-Ermittler, in deren Gewahrsam sich der im August in Thailand verhaftete Indonesier befindet: Zu Hambalis potenziellen Anschlagszielen in der thailändischen Hauptstadt Bangkok sollten unter anderem die US-geführten Hotels Marriott und Conrad, das Touristenviertel Khao San Road, der internationale Flughafen Don Muang sowie westliche Botschaften gehören. In Bangkok findet Mitte Oktober der Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) statt, zu dem auch US-Präsident George W. Bush und Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet werden.

Auffällig ist, dass alle angeblichen Aussagen Hambalis nur von einer Quelle verbreitet werden: US-Geheimdienstkreise. Zwar berufen sich verschiedene Medien auch auf Sicherheitsbeamte anderer Länder. Konkret werden diese aber nicht genannt und sind deshalb auch nicht verifizierbar. Während manche Diplomaten beteuern, Hambalis Verhaftung habe das Risiko terroristischer Attacken deutlich verringert, vermuten andere, dass er längst nicht sein ganzes Wissen preisgegeben habe.

Solche Widersprüche passen zum ambivalenten Umgang mit dem internationalen Terrorismus, den Thailand seit einigen Monaten pflegt. Während zum Beispiel das Auswärtige Amt in Berlin vor allem nach den Terroranschlägen auf Bali Touristen auch zu erhöhter Vorsicht in Thailand mahnte, hatte Thailands Regierung stets geleugnet, überhaupt ein Terrorismusproblem zu haben. Die blühende Tourismusindustrie sollte nicht gefährdet werden. Wenn überhaupt, so die offizielle Darstellung, hätten mutmaßliche Terroristen Thailand nur als Durchgangsstation genutzt.

Dann aber wurden am 10. Juni in der Provinz Narathiwat an der südlichen Grenze zu Malaysia mehrere Muslime verhaftet, denen die Behörden Kontakte zum südostasiatischen Terrornetzwerk Jemaah Islamiyah nachsagten. Nicht nur die Inhaftierung der Männer, von denen einer als polizeikritischer Leiter einer Islamschule bekannt war, ließ Skeptiker aufhorchen, auch der Zeitpunkt war pikant. Denn die Nachricht von der Festnahme ließ Premierminister Thaksin Shinawatra verbreiten, als er selbst gerade zum Staatsbesuch bei US-Präsident Bush weilte.

Nach der Verhaftung Hambalis am 11. August ließ Thaksin dann öffentlich verlauten, dass das Terrornetzwerk in seinem Lande zerschlagen sei, dessen dortige Existenz seine Regierung zuvor stets geleugnet hatte. Im Eiltempo erließ der Regierungschef dann ähnlich wie Indonesiens Präsidentin Megawati nach den Bali-Anschlägen ein neues Antiterrordekret, ohne den entsprechenden Parlamentsbescheid abzuwarten. Kritiker monierten, dass Thaksin nur auf Druck der USA handele, um sich vor allem angesichts des bevorstehenden Apec-Gipfels bei den Amerikanern beliebt zu machen.

Die in Bangkok ansässige Menschenrechtsorganisation Forum Asia hatte damals nicht nur den unglaubwürdigen Meinungsumschwung der Regierung kritisiert. Sie hält ein neues Antiterrorgesetz zudem für überflüssig. Auch warnen Kritiker vor Missbrauch des Dekrets, das dazu genutzt werden könne, politisch Missliebige festzusetzen. Demnach gilt nicht nur derjenige als Terrorist, der Anschläge plant oder ausführt, sondern sich auch so verhält, dass seine Drohung glaubwürdig erscheint. Je nach Schwere der Anklage kann als Strafmaß die Todesstrafe oder lebenslängliche Haft festgelegt werden.

Sicherheitsexperten wie Panitan Wattanayagorn von der Bangkoker Chulalongkorn-Universität plädieren zwar prinzipiell für neue Gesetze im Kampf gegen den Terror. Diese aber sollten nicht im Eilverfahren erlassen, sondern sorgfältig geprüft werden, zitierten ortsansässige Medien den Wissenschaftler.

Der widersprüchliche Umgang mit dem Terrorproblem ficht die Regierung nicht an. Kürzlich erst betonte Außenminister Surakiart Sathirathai noch, Thailand sei ein sicheres Land. Gleichzeitig aber werden im Vorfeld von Apec die Sicherheitsvorkehrungen in Bangkok täglich verschärft. Und jetzt räumen thailändische Ermittler ein, dass sie nach zwei weiteren Terrorzellen fahnden.