Nur mit dem Anwalt in den Zweikampf

Der Berliner Fußball-Verband (BFV) bietet seit dieser Saison Amateuren Rechtsberatung gegen Schläger an. „Wir reden hier von Leuten, die auf dem Spielfeld zusammengeschlagen oder denen nach dem Spiel aufgelauert wurde“

Die Sommerpause im Amateurfußball ist vorüber. Der Ball rollt, die Fäuste fliegen wieder. Das amtliche Mitteilungsblatt des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) dürfte rasch an Volumen zulegen. Vor allem der Rubrik, unter der die Urteile des Sportgerichts aufgelistet werden, müssen die Blattmacher wohl rasch mehr Platz einräumen. „Wir registrieren in der Regel tausend bis zwölfhundert Vorfälle bei etwa 25.000 Spielen im Jahr. Das ist eigentlich nicht übermäßig viel“, sagt BFV-Vorstandsmitglied Gerd Liesegang.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Jagdszenen an der Spree: Spieler treten und revanchieren sich oder attackieren den Schiedsrichter. Auffallend oft springt der Funke der Gewalt von den Rängen auf den Platz über. „Es ist selten, dass mal Zuschauer von Spielern verprügelt werden – eher umgekehrt“, erzählt unser BFV-Funktionär.

In der Vergangenheit hat seine Organisation zwar schon mal auffällig gewordene Vereine oder Mannschaften aus dem Spielverkehr gezogen, um dem Fairplay wieder mehr Achtung zu verschaffen. Im Nachwuchsbereich gilt zudem das Berliner „Präventionsmodell“ als vorbildlich. Es verpflichtet Übeltäter zu Resozialisierungsprogrammen, bevor sie wieder dem Ball (und nicht dem Gegner) nachjagen können.

Aber sonderlich abschreckend wirkte das Vorgehen bisher offenbar nicht. Gewalt auf dem Spielfeld scheint zum ritualisierten Phänomen geworden zu sein – wie die Krawalle am 1. Mai. Und doch gibt es in der gerade begonnenen Saison 2004/2005 eine wesentliche Neuerung im Berliner Spielbetrieb. „Wir wollen, dass mal Schluss ist mit der Gewalt, und bieten als Verband den Opfern Rechtsschutz an“, erklärt Liesegang. Betroffene Personen können sich bei einem Juristen kostenlos beraten lassen, ob oder wie sie zivilrechtlich gegen die Täter vorgehen könnten. „Damit übernimmt Berlin bundesweit eine Vorreiterrolle“, sagt Liesegang.

Um hypersensible Kicker davon abzuhalten, den juristischen Beistand in Anspruch zu nehmen, nur weil der Gegenspieler mal einen Fallrückzieher zu nah am Mann angesetzt hat, konkretisiert das BFV-Vorstandsmitglied den Kreis der potenziellen Klienten: „Wir reden hier von Leuten, die auf dem Spielfeld zusammengeschlagen oder denen nach dem Spiel aufgelauert wurden.“

Kritiker des BFV haben oft bemängelt, den Tätern würde mitunter mehr Aufmerksamkeit von offizieller Seite zuteil werden als ihren Opfern. „Diesen Eindruck könnte man haben“, gesteht Liesegang und fügt hin zu: „Die Täter denken: Wenn das Sportgericht sein Urteil gefällt hat und sie ihre Sperre abgesessen haben, ist die Sache erledigt. Das Opfer jedoch leidet seelisch und körperlich weiter. Denn diese Leute wissen oft gar nicht, wie sie sich juristisch zur Wehr setzen können.“

Dass sich durch drohende Schadensersatzklagen oder gar Haftstrafen die Zahl der Gewalttaten dezimieren ließe, vermag der BFV-Funktionär nicht zu versprechen. Liesegang: „Wir haben kaum Wiederholungstäter. Es kann keiner sagen, wer als Nächster zuschlägt.“

JÜRGEN SCHULZ