SPD will Zahnersatz bezahlen wie bisher

Franz Müntefering nimmt Abschied von der Idee einer Zusatzversicherung zum Preis von sechs bis acht Euro: ein „Verwaltungs-monstrum“. CDU-Chefin Merkel muss noch zustimmen, immerhin handelte sie das Modell persönlich mit Kanzler Schröder aus

VON COSIMA SCHMITT

Bleibt Zahnersatz doch eine ganz normale Kassenleistung? Die SPD möchte die geplante Neuregelung aussetzen. Stimmt die Union zu, dann müssen Arbeitnehmer auch in den nächsten Jahren keine Extraversicherung für Kronen, Brücken und Prothesen abschließen. Parteichef Franz Müntefering warnte gestern bereits vor einem „Verwaltungsmonstrum“, das 250 Millionen Euro Kosten verschlinge. SPD-Vize Kurt Beck hatte am Vortag an die Adresse der Union erklärt: „Wir sind bereit zu sagen: Wenn ihr mitmacht, dann können wir diese Geschichte zurückstellen bis zur Debatte um eine generelle Reform des Gesundheitswesens.“

Und die Chancen stehen nicht schlecht: Immer mehr Anzeichen lassen vermuten, dass CDU-Chefin Angela Merkel ihre Forderung nach einer Zahnersatzpauschale womöglich aufgeben wird. Seit Monaten schon ist diese auch in der Union umstritten. CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer hatte sie von Anfang an abgelehnt – und sieht sich jetzt in seiner Skepsis bestätigt. Er sei „mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht weit auseinander“, sagte er dem Spiegel. Auch die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert, den Zahnersatz in der gesetzlichen Krankenversicherung zu belassen. „Beim Zahnersatz fehlt der entscheidende zweite Teil: der Sozialausgleich. Und volkswirtschaftlich ist es einfach nicht sinnvoll, 80 Millionen Deutsche in eine Kleinstversicherung zu zwingen“, sagte sie gestern. Zwar sei es nicht ihre Intention gewesen, Merkel in den Rücken zu fallen, doch wenn sie Grundsätze gefasst habe, vertrete sie diese auch – selbst wenn der Zeitpunkt nicht optimal sei.

Solche Forderungen könnten Merkel nun den Weg zur Aufgabe ihrer einstigen Kernforderung ebnen. 2003 hatte die CDU-Chefin ihre Zustimmung zur Gesundheitsreform davon abhängig gemacht, den Zahnersatz aus der gesetzlichen Krankenkasse auszugliedern. Ihre Vision: Der Arbeitnehmer zahlt eine einheitliche monatliche Pauschale. Der Arbeitgeber wäre dann gar nicht mehr an der Finanzierung des Zahnersatzes beteiligt. Bei dem Modell müsste, so errechneten es die Kassen, jeder Versicherte sechs bis acht Euro monatlich zahlen. Diese Mini-Kopfpauschale galt vielen als Probelauf für den großen Wurf – eine Krankenversicherung komplett nach dem Kopfpauschalenmodell.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte 2003 notgedrungen die Unionsforderung akzeptiert. Vor gut einer Woche forderte Schmidt jedoch in einem Brief an Merkel: Wie viel der Versicherte bezahle, solle doch von seinem Einkommen abhängen. Ansonsten drohe enormer bürokratischer Aufwand.

Diesen Vorschlag immerhin wollte Merkel überdenken. Sie habe Schmidt gebeten, schnellstmöglich einen gangbaren Gesetzesentwurf zu unterbreiten, sagte die CDU-Chefin. Ob sie aber bereit ist, die Zahnersatz-Reform gänzlich ad acta zu legen, ist noch fraglich. Ein Einknicken in dieser Frage nämlich wäre eine Niederlage für die CDU-Chefin. Schließlich hat sie die Zusatzpolice selbst im Gespräch mit Gerhard Schröder ausgehandelt.

Unterdessen erwog Müntefering noch einen dritten Weg. Die Politiker könnten ein Paket schnüren aus Zahnersatz und Krankengeld, das ebenfalls nur noch vom Arbeitnehmer getragen werden soll. Beide Themen würden dann 2005 verhandelt.