Die UNO macht sich zahnlos

Khartum hat sich sichtbar nicht um das UN-Ultimatum gekümmert. Folgen hat das keine

BERLIN taz ■ „Auf gar keinen Fall“, sagte der Leiter der sudanesischen Regierungsdelegation bei den Darfur-Friedensgesprächen in Nigeria letzte Woche. Er war gefragt worden, ob Khartum gedenke, die Forderungen der UNO nach einer Befriedung der Kriegsregion zu erfüllen.

Madschsub al-Chalifa sprach offen aus, was sonst nur hinter vorgehaltener Hand gesagt wird: Das 30-Tage-Ultimatum des UN-Sicherheitsrats an Sudans Regierung bleibt folgenlos.

„Die Dschandschawid-Milizen entwaffnen und Dschandschawid-Führer und ihre Mitstreiter, die Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts und andere Gräueltaten begangen oder dazu angestiftet haben, festzusetzen und vor Gericht zu stellen“ – das war die Forderung des UN-Sicherheitsrates am 30. Juli in der Resolution 1556. Im Falle der Nichteinhaltung werde der Rat nach 30 Tagen „weitere Maßnahmen einschließlich solcher unter Artikel 41 der UN-Charta erwägen“. Artikel 41 beinhaltet unter anderem die Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Verkehrs, der Kommunikationsverbindungen und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Das war schon eine Minimaldrohung angesichts der Kriegsverbrechen, die Sudans Regierungsstreitkräfte und die mit ihnen verbündeten Milizen in Darfur zur Niederschlagung der dortigen Rebellenbewegungen begangen haben, mit 50.000 Toten und über 1,5 Millionen Flüchtlingen.

Bereits am 3. Juli hatte Sudans Regierung zugesichert, „sofort mit der Entwaffnung der Dschandschawid und anderer bewaffneter Gruppen zu beginnen“. Heute, das melden alle in Darfur präsenten Beobachter, ist der Milizenterror in Darfur nicht beendet. „Human Rights Watch“ veröffentlichte am Freitag eine Liste von 16 Militärlagern, von denen aus die Dschandschawid in Darfur operieren – in fünf davon stehen die Milizionäre gemeinsam mit der Armee. „Die sudanesische Regierung hat Mitglieder der Dschandschawid-Milizen in die Polizei und die sudanesische Armee integriert“, schreibt HRW. Die zwei größten Rebellengruppen haben gestern begonnen, die Friedensgespräche in Nigeria zu boykottieren. Ihrer Ansicht nach sind für Angriffe in jüngster Zeit Regierungstruppen verantwortlich.

Dennoch ist zu erwarten, dass der UN-Sicherheitsrat die 30-Tage-Frist verlängern wird, wenn er am Donnerstag über die Lage in Darfur berät. „Der Sicherheitsrat hat beschlossen, die Fortschritte im Sudan alle 30 Tage für die vorsehbare Zukunft zu überprüfen“, stellte ein Sprecher des US-Botschafters bei der UNO, John Danforth, Ende letzter Woche klar. Die USA waren früher für scharfe Maßnahmen gegen Sudan. Sie haben sich nun Khartums Verbündeten gebeugt.

Das Einknicken der UNO ist nicht nur auf die Ratsmitglieder zurückzuführen. Es hat einen Namen: Jan Pronk. Der niederländische UN-Sonderbeauftragte für Darfur, dessen Berichte dem Sicherheitsrat als Beratungsgrundlage dienen, vereinbarte am 5. August mit Sudans Regierung etwas ganz anderes: die Schaffung „sicherer Zonen“ für die Vertriebenen. Elf solche Zonen hat die Regierung inzwischen identifiziert. In dem mit der UN-Migrationsorganisation IOM (International Organisation of Migration) vereinbarten Umsetzungsplan wird „die phasenweise Rückkehr aller Vertriebenen in ihre Heimat oder woandershin“ als Ziel beschrieben. Menschenrechtler fürchten nun, dass die dauerhafte Umsiedlung missliebiger Ethnien in Darfur Realität wird. Mit dem Segen der UNO. Egal wie lange der Sicherheitsrat prüft. DOMINIC JOHNSON