Zur Strafe ein reines Gewissen

In Bensheim steht am Dienstag der Totalverweigerer Silvio Walther vor Gericht. Eine Behandlung nach dem Jugendstrafrecht lehnt er ab, auch wenn er eine geringere Strafe bekäme. Er plädiert auf Freispruch und will keinen „Sozialdienst“ akzeptieren

VON MARTIN KAUL

Weil er nach einem mutmaßlichen Übergriff vier Wochen lang auf der Flucht vor den Feldjägern war, ergeht am heutigen Dienstag vor dem Amtsgericht Bensheim das Urteil gegen den Totalverweigerer Silvio Walther. Dem 21-Jährigen wird vorgeworfen, sich während seiner Wehrpflicht in zwei Fällen eigenmächtig von der Bundeswehr ferngehalten zu haben.

Walther hatte bereits vor seiner Einberufung in die Bundeswehr offen angekündigt, jeglichen Gehorsam innerhalb und außerhalb der Bundeswehr zu verweigern, und er hat dies strikt umgesetzt. Dem Einberufungsbescheid war er nicht gefolgt und der Bundeswehr erst durch die Feldjäger „zugestellt“ worden.

Nachdem er laut eigener Aussage während seines Bundeswehrarrests von einem Soldaten mit der Waffe bedroht worden war, befand sich Walther außerdem vier Wochen lang auf der Flucht vor den Feldjägern. Wegen dieser beiden eigenmächtigen Abwesenheiten findet heute vor dem Jugendrichter die Hauptverhandlung gegen ihn statt.

Walther wird dem Jugendrichter vorgeführt, weil er zum Zeitpunkt seiner Einberufung noch sechs Tage lang unter 21 Jahre alt war. Nach Maßgaben des Jugendstrafrechts könnte Walther mit Sozialstunden und ohne einen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis bestraft werden.

Hiergegen will Walther allerdings vorgehen und eine Beurteilung nach Jugendstrafrecht nicht akzeptieren. Gegenüber der taz sagte er: „Meine Entscheidung, die Befehle der Bundeswehr nicht anzunehmen, war nicht die leichtsinnige Tat eines Heranwachsenden, sondern der bewusste zivile Ungehorsam eines erwachsenen Menschen. Als solches soll sie auch gelten.“ Eine Bagatellisierung seines Protests wolle er nicht akzeptieren.

Rechtstheoretisch wirkt Walther damit auf eine härtere Bestrafung nach dem für Erwachsene geltenden Strafrecht hin. Politisch plädiert Walther dagegen auf Freispruch: „Ich wüsste nicht, wie es ein Verbrechen sein kann, wenn man sich weigert, Waffen zu benutzen und blinden Gehorsam zu leisten. Einen „Ersatz-Zwangsdienst irgendeiner Art“ wie etwa Sozialstunden wolle er nicht akzeptieren.

Theoretisch kann nach allgemeinem Strafrecht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer eigenmächtig der Truppe fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst zu entziehen oder die Beendigung seines Wehrdienstverhältnisses zu erreichen. Laut gängiger Rechtsprechung hat Silvio Walther jedoch mit einer Freiheitsstrafe von drei bis sechs Monaten auf Bewährung oder einer Geldstrafe in Höhe von 30 bis 120 Tagessätzen und einem etwaigen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis zu rechnen.

Walther hatte während seiner Bundeswehrzeit im 5. Gebirgsfernmeldebataillon 210 in Bad Reichenhall insgesamt 37 Tage in sogenanntem Disziplinararrest verbracht. Während einer seiner Arreste war er eigenen Angaben zufolge unter Androhung von Schusswaffengewalt zum Säubern eines Parkplatzes genötigt worden und sollte unter anderem einen gebrauchten Tampon mit bloßen Händen aufsammeln. Infolgedessen befand er sich vier Wochen lang auf der Flucht vor den Feldjägern.

Die taz traf Silvio Walther im Juli letzten Jahres während seiner Flucht, begleitete ihn zurück zur Kaserne und berichtete ausführlich über seinen Fall. Wenige Tage später wurde er aus dem Bundeswehrdienst entlassen (taz vom 19. und 26. Juli 2008).

Ähnlich wie dem Totalverweigerer Silvio Walther geht es auch den beiden Männern Jan-Patrick Ehlert und Matthias Schirmer. Sie verweigerten im vergangenen Jahr jeglichen Befehl innerhalb und außerhalb der Bundeswehr. Auf sie wartet nun ebenfalls ein Strafprozess.