Kein Geld für Aidskranke

Nur jeder 100. Aidskranke in Afrika erhält der UNO zufolge Medikamente. Gegen Aids wird dort pro Jahr so viel ausgegeben wie pro Woche für US-Truppen im Irak. Aidsbeauftragter: „Obszönität“

BERLIN taz ■ Nur rund 1 Prozent der 4,1 Millionen Menschen, die in Afrika als Folge einer HIV-Infektion an Aids erkrankt sind, werden mit Medikamenten behandelt. Dies kritisierte gestern die Weltgesundheitsorganisation (WHO) parallel zu einer Aids-Sondersitzung der UN-Vollversammlung in New York und zum Auftakt der 13. afrikanischen Aidskonferenz in Kenias Hauptstadt Nairobi. Die WHO warnte vor einem „globalen Gesundheitsnotstand“, falls in den Jahren 2004 und 2005 die benötigten 10 Milliarden US-Dollar für die Anti-Aids-Behandlungen nicht aufgebracht würden. WHO-Generaldirektor Lee Jong-Wook sagte in Genf: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, sehen wir jeden Tag Tausende sterben.“

Insgesamt, so die WHO, seien in Entwicklungsländern weltweit etwa 6 Millionen HIV-Infizierte so krank, dass sie Anti-Viren-Medikamente dringend benötigten. Derzeit würden dort jedoch weniger als 300.000 Menschen behandelt, davon 50.000 in Afrika. Auf der globalen Liste der Todesursachen steht Aids mit 3 Millionen Opfern im vergangenen Jahr an vierter Stelle, in afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist es die Haupttodesursache. Die Zahl der Menschen, die weltweit mit HIV oder Aids leben, wird derzeit auf 42 Millionen geschätzt, 70 Prozent davon leben in Afrika.

„Wie ist es möglich im Jahr 2003, dass wir über 200 Milliarden Dollar finden können, um Krieg gegen den Terror zu führen, aber für die antiretrovirale Behandlung derjenigen, die es in Afrika brauchen, das Geld nicht finden?“, schimpfte der UN-Sonderbeauftragte zur Aidsbekämpfung, Stephen Lewis, in Nairobi. „Diese unterschiedliche Behandlung ist die groteske Obszönität der modernen Welt.“

Nach neuen Zahlen des UN-Aidsbekämpfungsprogramms UN-Aids, die in Nairobi vorgestellt wurden, sind vergangenes Jahr in Afrika 950 Millionen US-Dollar für den Kampf gegen Aids ausgegeben worden. Das entspricht den Kosten von einer Woche US-Militäreinsatz im Irak. Die Summe sei zwar 400 Millionen Dollar höher als 2000 gewesen, liege aber immer noch bei weniger als der Hälfte des von der UNO geschätzten Mindestbedarfs von 2 Milliarden Dollar. Bis 2005 fehlten noch 3 Milliarden Dollar, damit bereits angekündigte Aidsprogramme in Afrika funktionieren. UN-Aids-Mitarbeiter Michel Sidibe: „Wenn Worte und Papier ausreichten, um HIV-Infektionen zu verhindern, würden wir unsere Ziele erreichen.“ DOMINIC JOHNSON

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