Eigen & sinnig

Drei Fliegen, zwei Klappen: Die beiden Jugendtheater von „Theaterwerkstatt“ und „B.E.S.T.“ haben die Erfahrungen und Ideen ihrer jungen Darsteller dramatisiert, das auf neue und frische Art – und auch noch mit Niveau

Ein gewagtes Spiel, doppelt geglückt: Unkonventionell, fern jeder althergebrachten Dramaturgie präsentieren sich zwei Bremer Jugendtheater. Die Stücke entstammen den Ideen der jungen Darsteller. Da besteht das Risiko, oberflächlich und nichtssagend zu werden. Aber auch die Chance, so frisches und anspruchsvolles Theater zu machen, wie in diesen Fällen.

In einer Lagerhalle in der Neustadt spielt das „B.E.S.T.“-Ensemble unter Regie von Karl-Heinz Wenzel, im Schlachthof die Truppe der „Theaterwerkstatt“ von Miriam Platzeck. Die Methode ist bei beiden ähnlich: Von einem Grund-Thema ausgehend, entstehen im improvisierenden Proben Sätze, Bewegungen und Inhalte, die schließlich collagiert werden.

Die „B.E.S.T.“-Theatergruppe wagt sich hier am weitesten vor: keine Handlung, stattdessen aufgeworfene Fragen und Emotionen, transportiert durch poetisch und eindringlich inszenierte Bilder. Da steht Darstellerin Jenny Riemann auf einem bedrohlich hohen Paletten-Stapel, mit verbundenen Augen, nach dem Vater schreiend, der nicht da ist. Sie schwankt, schafft es aber schließlich, sich die Binde vom Kopf zu reißen.

Das Grundmotiv ist „erwachsen werden“. Das Stück beginnt mit Fragen zur eigenen Person und endet mit Fragen zur ganzen Menschheit. Die jungen Menschen selbst schätzen am Projekt, dass sie ihre eigenen Erfahrungen und Gedanken verarbeiten können.

„Jeder kann sich hier freien Lauf lassen“, sagt die 17-jährige Rebecca Bernsdorf: „Durch das Theaterspielen ergibt sich eine sehr persönliche Atmosphäre.“ Marc Wilms, mit 29 der Älteste, ergänzt: „Wir spielen aber nicht uns selbst, sondern theatralisieren unsere Erfahrungen.“

Während die zehn SchauspielerInnen vom „B.E.S.T.“-Theater ureigene Rollen spielen, behalten die sechs Darstellerinnen der „Theaterwerkstatt“ die traditionellen Charaktere bei. Ihr Thema ist der Mythos vom Minotaurus im Labyrinth. Die Schauspielerinnen haben geschaut, welche aktuellen Aspekte der Stoff liefert und interpretieren ihn nach den eigenen Erfahrungen.

Die setzen sie aber nicht unmittelbar um, sondern projizieren sie auf die antiken Rollen der Ariadne, des Theseus oder Minotaurus. Entstanden ist ein Drama über Einsamkeit, Angst und die Abhängigkeit von Erwartungen.

Das klingt ein wenig pubertär, das Stück wartet aber von Anfang an mit reifen, allgemeingültigen Aussagen auf, die manchmal fast zu eindeutig und akademisch klingen. Doch dann sind plötzlich so intensive Sätze wie dieser dabei, von denen man kaum glauben mag, dass sie beim Proben spontan entstanden sind: „Nur im Dunkeln kann man seinen Schatten verlieren.“

HOLGER HEITMANN

„ÜberWindungen“, Theaterwerkstatt, Schlachthof: heute und Freitag, 20 Uhr. Schulaufführungen: 29. und 30. September, 11 Uhr „Rost auf den Flügeln der Morgenröte“, B.E.S.T., Lagerhalle in der Paul-Feller-Str. 26: 1. bis 4. sowie 6. bis 10. Oktober, jeweils 20.30 Uhr