Entscheidung für eine Geburt ohne viel Technik

Seit 15 Jahren kommen im Kölner Geburtshaus Kinder zur Welt - natürlich und möglichst ohne medizinische Eingriffe. Beste Vorausetzungen für Mutter und Kind, nennen es die einen. Als verantwortungslos bezeichnen es andere. Dabei lassen sich die Hebammen auf mögliche Risikogeburten nicht ein

Von Christiane Martin

Im Kölner Geburtshaus gebären Frauen ihre Kinder. Die Hebamme Esther Chrischilles legt Wert auf diese Formulierung. Das Wort entbinden vermeidet sie, weil es sprachlich korrekt nur im Passiv verwendet wird: Eine Frau wird entbunden. „Das klingt inaktiv und entspricht nicht unserer Philosophie“, erklärt die Mitarbeiterin des Kölner Geburtshauses. „Die Gebärenden entscheiden hier selbst, wie viel wir sie unterstützen. In der Regel greifen wir in den natürlichen Geburtsvorgang nur ein, wenn es nötig ist.“

Seit 1989 bietet das Kölner Geburtshaus einen Ort für Geburten ohne Medizintechnik, in entspannter Atmosphäre und als Alternative zum Krankenhaus. Nach mehreren Umzügen hat das Geburtshaus jetzt in Ehrenfeld eine neue Heimat gefunden. Hinter einem großen Metalltor in der Overbeckstraße verbirgt sich eine kleine Oase: ein begrünter Hinterhof und ein weitläufiges eingeschossiges Gebäude, das die Räume des Kölner Geburtshauses seit Juli dieses Jahres beherbergt.

„Wir haben hier endlich den Platz, den wir dringend brauchten“, erklärt Chrischilles den Umzug von Nippes, wo das Geburtshaus vorher war. Das Team sei von vier Hebammen auf acht gewachsen. In den neuen Räumen habe man nun zwei Geburtszimmer und ein separates Bad einrichten können. Über zwanzig Kinder haben hier schon das Licht der Welt erblickt. Dabei sei der erste Monat im neuen Domizil überdurchschnittlich gewesen. Normaler Weise kämen im Monat nur 10 bis 15 Frauen ins Geburtshaus.

„Verglichen mit den Niederlanden entscheiden sich in Deutschland sehr wenige für eine Geburt außerhalb des Krankenhauses“, weiß Chrischilles. Nur zwei Prozent seien es hierzulande, in den Niederlanden ungefähr 30. Die Gründe vermutet die 38-Jährige in unterschiedlichen gesellschaftlichen Auffassungen. „Bei uns werden Frauen, die ihre Kinder zu Hause oder im Geburtshaus ohne ärztlichen Beistand bekommen, häufig als verantwortungslos abgestempelt. Auch manche Mediziner teilen diese Meinung“, sagt die Hebamme. Dabei übernähmen die Frauen bei einer außerklinischen Geburt viel mehr Verantwortung als im Krankenhaus, weil sie selbst bestimmen, wie sie ihr Kind zur Welt bringen.

Diese Selbstbestimmung ist laut eines Berichts der „Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe“ auch einer der Hauptgründe für die Entscheidung, auf ärztliche Hilfe bei der Geburt zu verzichten. Als zweiter wird die Vertrautheit mit der Hebamme genannt.

Auch im Kölner Geburtshaus hat jede Frau ihre „eigene“ Hebamme, die im Team mit einer zweiten Kollegin vom Anfang bis zum Ende der Geburt der werdenden Mutter zur Seite steht. „Wenn es so weit ist, rufen uns die Frauen über Funk an“, beschreibt Chrischilles den Beginn des Geburtsvorgangs. Man treffe sich dann im Geburtshaus, wo die Gebärenden sich frei bewegen können. Es gibt eine Küche, die jede nutzen kann, einen Aufenthaltsraum, einen Garten, das Badezimmer mit riesiger Badewanne und die beiden Geburtszimmer mit breiten Betten und in warmen Farben.

Die meisten Gebärenden bringen ihre Partner oder andere Begleitpersonen mit. „Während der Geburt halten sich die Hebammen zunächst im Hintergrund“, so Chrischilles weiter. Nur wenn es nötig sei, helfe man mit homöopathischen Mitteln oder Akupunktur. Bei vier Prozent der Frauen – überwiegend bei Erstgebärenden – müsse ein Dammschnitt gemacht werden. Im Gegensatz zu den meisten Krankenhäusern erfolge dieser Eingriff nicht generell prophylaktisch, sondern nur, wenn es zum Wohl des Kindes nötig sei.

Auch die Geburtsposition darf die Frau selbst bestimmen. Die klassische Liegeposition auf dem Rücken sei out. „Die meisten benutzen den Geburtshocker, manche sitzen aufrecht im Bett oder liegen auf der Seite“, so die Hebamme. Ungefähr jede siebte Geburt finde in der Badewanne statt. Nach der Geburt wird das Baby der Mutter auf den Bauch gelegt und die Nabelschnur wird erst durchtrennt, wenn sie auspulsiert ist. Mindestens zwei Stunden bleiben dann Mutter und Kind noch im Geburtshaus, bevor sie nach Hause entlassen werden, wo sie mehrere Wochen lang regelmäßig von „ihrer“ Hebamme besucht werden.

Aber auch im Kölner Geburtshaus geht nicht immer alles reibungslos. Hier gilt zwar der Grundsatz, dass nur normale Geburten nach unproblematisch verlaufenen Schwangerschaften übernommen werden. Absehbare Risiken gehen die Hebammen nicht ein. Auf Mehrlingsgeburten beispielsweise verzichten sie. Komplikationen lassen sich dennoch nie ganz ausschließen. Bei einem längeren Geburtsstillstand, der für Mutter und Kind gefährlich werden kann, wird die werdende Mutter ins Krankenhaus gebracht. Immerhin 10 bis 15 Prozent der Geburten werden so vorsorglich verlegt. Ist dazu ein Krankenwagen nötig, gibt es eine Absprache mit der Leitstelle der Kölner Feuerwehr. „Die erkennen unsere Nummer sofort und können entsprechend schnell reagieren“, sagt Chrischilles.