Kleine bescheidene Häuschen

Geschlossene Veranstaltung: SPD lernt und staunt über Architektur im Bremer Westen

Bremen taz ■ Aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen ist gut. Deshalb hätten auch andere Fraktionen gerne an der Bustour der Architektenkammer durch den Bremer Westen teilgenommen: „Natürlich ist das für unsere Mitglieder interessant, aber leider ist die Architektenkammer nicht auf uns zugekommen“, so die baupolitische Sprecherin der Grünen, Karin Krusche. Die Veranstaltung ist für SPD-Deputierte reserviert. Nur die Presse darf mitfahren.

Der Bremer Westen: Da findet sich in der Tat der Megafehler, und bislang, so Hanns-Peter Karl, der als ehemaliger Vizepräsident der Architektenkammer den Genossen einen kompetenten City-Guide gibt, denke doch „jeder bei Architektur und Bremen an den Space Park“. In Walle hingegen will man sich „unspektakuläre, aber trotzdem vorzeigbare und funktionale Architektur anschauen.“ Klein und bescheiden: Das ist die bauliche Zukunft, finden die Sozialdemokraten. Gegenstimmen? Keine im Bus. Karin Krusche gibt allerdings auf Nachfrage zu bedenken, dass man so etwas „nicht gegeneinander ausspielen“ könne. „Ich finde“, sagt sie, „dass Bremen sowohl im Kleinen wie im Großen architektonische Neuerungen gut zu Gesicht stehen würden.“

Auch andere Abwesende widersprechen den Sozialdemokraten. Eberhard Syring vom Bremer Zentrum für Baukultur denkt jedenfalls nicht ans untergegangene Flaggschiff der großen Koalition, wenn von Bremer Architektur die Rede ist: „Der Backstein dominiert bei uns das Bild. Im Vergleich zu anderen Städten gibt es in Bremen doch kaum spektakuläre Gebäude.“ Die Stoßrichtung zum Funktionalismus hält er zwar für gut, doch selbst die funktionalste Bauweise hätte den Space Park nicht retten können.

Der Bus hält: Merseburger Straße. Vor 15 Jahren war hier nicht mehr als ein Lagerplatz an einem Torfkanal. Heute sieht man einen Teich umringt von einer Reihenhaussiedlung. Alle Häuser sind nur zwei Stockwerke hoch. „Die 35 Häuser sind relativ flach“, beschreibt Architekt Eberhard Haering die Idee hinter der ungewöhnlichen Bauform. Dafür seien sie ganze 8,50 Meter breit. „Wir wollten, dass die Bewohner nicht denken, dass der Nachbar ihnen auf dem Schoß sitzt.“ Für die nachbarliche Nähe gibt es viele Gemeinschaftsflächen, wie der Teich, in dem sich das Regenwasser aller Häuser sammelt.

Die Sozialdemokraten nehmen die Lehrstunde auf dem 1,5 Hektar großen Areal gerne mit. Doch: kein ungewöhnliches Stadtviertel, findet der Sprecher der Architektenkammer Florian Kommer: „Das Typische an der Bremer Architektur sind Reihenhäuser: nicht zu groß, mit Keller.“ Dieser Stil sei weit als Bremer Modell bekannt.

Nach weiteren Stopps am Helgolander Schulzentrum und einer Durchfahrt durchs Bromberger Viertel – „wir können leider nicht hier halten, denn wir liegen im Zeitplan hinten“, so Karl - landen die Baudeputierten im Waller Dorfkern. „In drei Bauphasen haben Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger hier ihr eigenes Heim gebaut“, so Diplom-Pädagoge Ernst Schütte von der Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (WaBeQ). „Das Erstbelegungsrecht haben fast alle wahrgenommen.“ Da zudem Handwerksbetriebe die Bau-Leitung übernommen hätten, habe man „eine Vermittlungsquote von 68 Prozent.“ Die Häuser? Erneut sind es Reihenhäuser, mit roten Dächern und Außentreppen – „ein anonymes Treppenhaus wollten wir nicht“, so Eberhard Haering. Die einzigen äußerlichen Besonderheiten sind die unterschiedlichen Bau-Materialien bei den Gebäuden des zweiten Bauabschnitts: Stein im Erdgeschoss, Lärchenholz im Obergeschoss – „wegen der besseren Wärmedämmung.“ Und: Es gibt nur einen Aufstieg für die zwei Häuser der dritten Bauphase – eine Metallbrücke sorgt dafür, dass alle Bewohner im Obergeschoss ihre Wohnungen erreichen können.

Interessant, nicht wahr? Carsten Sieling, baupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion zumindest resümiert: „Wir haben heute mehr gelernt als wir dachten.“

werner tewes