„An vielen kleinen Schrauben drehen“

Der Landesintegrationsbeauftragte fordert ein Bleiberecht für bosnische Kriegsflüchtlinge. Einen entsprechenden Beschluss des Abgeordnetenhauses gibt es, trotzdem wird abgeschoben. Piening setzt auf das Zuwanderungsgesetz

taz: In den letzten Wochen häufen sich die Abschiebungen in das ehemalige Jugoslawien. Wie bewerten Sie das?

Günter Piening: Es geht generell um die Frage, wie wir mit den bosnischen Bürgerkriegsflüchtlingen umgehen, die zum Teil seit mehr als zehn Jahren in Berlin leben. Ich erinnere daran, dass die Zuwanderungskommission unter Rita Süssmuth gefordert hat, dass Flüchtlinge nach einer gewissen Aufenthaltsdauer in eine Integrationsperspektive gebracht werden. Auch in Berlin ist das Mehrheitsmeinung. Es gibt Beschlüsse des Abgeordnetenhauses und des Integrationsbeirats, die fordern, langjährig Geduldeten ein Bleiberecht zu ermöglichen (siehe Kasten).

Und was halten Sie von den Abschiebungen?

Sie sind das falsche Zeichen. Ich bin dafür, dass die bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge, die sich hier integriert haben und deren Kinder hier groß geworden sind, bleiben dürfen.

SPD-Innensenator Ehrhart Körting sieht das anders.

Der Innensenator sagt, Bürgerkriegsflüchtlinge müssen zurückkehren, das entspricht auch der EU-Richtlinie. Er sagt aber auch, Ausnahmen sind Härtefälle. Genau hier müssen wir ansetzen, auch mit Blick auf das Zuwanderungsgesetz: Weil es darin leider keine Altfallregelung gibt, sind wir auf Härtefallregelungen angewiesen. Entscheidend ist also, wie wir in Berlin Härtefälle definieren und wie die Härtefallkommission künftig aussehen wird. Wir werden an vielen kleinen Schrauben drehen müssen, um Lösungen für alle Betroffenen zu finden. Das ist sehr kompliziert. Ich sage eindeutig: Familien, deren Kinder hier groß geworden sind, sind Härtefälle.

Die Familie Ristic (siehe Bericht oben) ist ein solcher Härtefall. Körting hält die Abschiebung des Vaters und einer der Töchter für richtig.

Das ist Aufgabe eines Innensenators.

Ihre Aufgabe ist eine andere.

Wir haben natürlich unterschiedliche Rollen und Aufgaben. Aber ich gehe davon aus, dass der Innensenator und ich gemeinsam die sehr eindeutige Beschlusslage in Berlin umsetzen werden: Leute, die lange hier sind und sich integriert haben, sollen hierbleiben. Das besagt der Beschluss des Abgeordnetenhauses, dem auch die SPD zugestimmt hat. Und das besagt auch der Beschluss des Integrationsbeirates, in dem auch die Innenverwaltung vertreten ist.

Warum so versöhnlich? Sie vertreten eine ganz andere Position als Herr Körting. Warum gehen Sie nicht in die öffentliche Auseinandersetzung?

Ich habe mich in diesem Fall sehr früh sehr eindeutig positioniert. Und ich gehe davon aus, dass die Debatte, die wir jetzt haben, auch darauf zurückzuführen ist. Mir geht es aber nicht um öffentliche Auseinandersetzung. Mir geht es darum, Lösungen zu finden.

Das Zuwanderungsgesetz tritt am 1. Januar in Kraft. Es schafft Kettenduldungen ab und verbessert die Möglichkeiten von Härtefallregelungen. Manche Länder schieben deshalb heute schon keine Flüchtlinge mehr ab, die unter diese Regelung fallen könnten.

Nur ein Land macht das: Schleswig-Holstein.

Warum nicht Berlin?

Ich habe das vorgeschlagen und gehe davon aus, dass die Innenverwaltung das zurzeit prüft. Entscheidend ist, dass wir ab 1. Januar eine großzügige Regelung haben. Und davon gehe ich aus.

Heißt das, die 2.000 bosnischen Flüchtlinge, die derzeit ohne sicheren Aufenthaltsstatus in Berlin leben, bekommen dann ein Bleiberecht?

Eine Härtefallregelung ist immer eine Einzelfall- und keine Gruppenregelung. Man kann aber sagen, die Bürgerkriegsflüchtlinge erfüllen sehr viele der erforderlichen Kriterien. Da müsste es also mit dem Teufel zugehen, wenn wir da keine Lösung finden würden. INTERVIEW: SABINE AM ORDE