Grüne: Husch, in die Klassen!

Grüne kritisieren die neu strukturierte Uni-Lehrerausbildung: Auch nach Bachelor und Master aufgeteilt, kämen Lehrämtler viel zu spät mit Praxis in Kontakt. Zudem fürchten sie Lehrermangel

von MIRJAM DOLDERER

Peinlich, peinlich. Da wollten die Grünen gestern die bildungspolitische Arbeit des Senats geißeln – und verrechneten sich. Es geht um die Reform des Lehramtsstudiums, die an Berlins Unis gerade in vollem Gange ist.

Die Hochschulausbildung soll ab kommendem Wintersemester komplett auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt werden. Lisa Paus, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, kritisiert: „Es wurde mit der Reform keine Stärkung der Berufswissenschaften und damit des Schulbezugs erreicht.“ Damit nicht genug, das Gegenteil sei der Fall, analysierte Paus. Zur Veranschaulichung überreichte sie eine Tabelle, die den bisherigen berufswissenschaftlichen Anteil im Lehramtsstudium dem künftigen gegenüberstellt. Lehrer mit Schwerpunkt Grundschulpädagogik mussten laut Schaubild bisher 55 Prozent Berufswissenschaften im Studium absolvieren, bald sollten es nur noch 33 sein. Tatsächlich bleibt der Anteil gleich – die Grundschulpädagogik wurde mal als Teil der Berufswissenschaft gerechnet, mal nicht. „Da ist uns ein Fehler unterlaufen“, so Paus.

Von derlei Schwächen abgesehen haben die Grünen mit ihrer Kritik Recht: Der berufswissenschaftliche Teil soll, so ist es geplant, vorwiegend während des Masters, also erst ab dem siebten Semester, gelehrt werden. „Von frühem Praxisbezug keine Spur“, sagt Paus und fordert, der berufswissenschaftliche Anteil im sechssemestrigen Bachelor-Studium müsse erhöht werden.

Laut Siglinde Schaub, der bildungspolitischen Sprecherin der PDS-Fraktion, war der frühzeitige Beginn der Berufswissenschaften eines der wichtigsten Ziele bei der Ausgestaltung der Reform: „Wir haben bis zum letzten Tag darum gestritten, dass es kein polyvalenter, sondern ein lehramtsbezogener Bachelor wird.“ Doch das Bachelor-Studium hat derzeit beileibe nicht den Anspruch, nur aufs Lehramt vorzubereiten: „Die Bachelor-Studiengänge sind polyvalent“, sagt Anna Plankenhorn, Koordinatorin für Lehrerbildung an der Humboldt-Uni – polyvalent bedeutet, in mehrfacher Beziehung wirksam, also auf einige Berufe vorbereitend. Deshalb könne man auch erst in den Zulassungen zum Masterstudium sagen, wie viele Studenten ein Fach mit dem Ziel Lehramt studiert haben, so Plankenhorn. Es wird dadurch unvorhersehbar, mit wie vielen Lehrern künftig zu rechnen ist. Absehbar ist allerdings, dass das Land Berlin ab 2007/8 jährlich über 1.000 neue LehrerInnen einstellen muss, um die Betreuungssituation an den Schulen nicht zu gefährden.

Die Grünen fürchten nicht zuletzt aufgrund verschärfter Zulassungsregeln einen Lehrermangel. Nur wer das Bachelorstudium mit mindestens einer Drei abschließt, wird zum Masterstudium zugelassen. Das Problem der anderen: Der Bachelor ist bisher nicht berufsqualifizierend. Im Gespräch sind Lehrerassistenten, die – wie in Bayern oder Finnland – zur Entlastung der Lehrer eingesetzt werden. Von Lehrerverbänden wird dies heftig kritisiert. Sie befürchten billige „Lehrer light“. Bert Flemming (SPD), Leiter der Koalitionsarbeitsgruppe Lehrerbildung, glaubt höchstens an eine Verschiebung: „Die Lehrer könnten sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren, Tätigkeiten neben dem Unterrichten könnten Lehrerassistenten übernehmen.“