Islamisten im Marsch durch die Institutionen

Marokkos Islamistenpartei PJD gewinnt nach Kommunalwahlen den ersten Bürgermeisterposten in einer Großstadt

MADRID taz ■ In Marokko stellen die Islamisten erstmals den Bürgermeister einer Großstadt. Der Landwirt Bubker Belkura wurde mit den Stimmen seiner „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (PJD) sowie mit der Unterstützung mehrerer kleiner Formationen ins Amt gewählt. Meknes liegt 140 Kilometer östlich der Hauptstadt Rabat und hat 440.000 Einwohner.

Je nachdem wie die Koalitionsverhandlungen ausgehen, könnten die marokkanischen Islamisten bald schon auch in anderen Städten wie Tiznit, Kenitra Kasar al-Kebir oder Temara regieren. Die PJD besiegelt damit ihren Erfolg bei den Kommunalwahlen vom 12. September. Dabei wurde sie in den großen und mittleren Städten zweitstärkste politische Kraft hinter der nationalistischen Istiqlal. Die regierende „Union Sozialistischer Volkskräfte“ (USFP) wurden auf Platz drei verdrängt.

Innenminister Mostafa Sahel rechnet freilich anders. Nach seinen Zahlen sind die Islamisten nur elfstärkste Partei geworden. Was er außer Acht lässt: Die PJD trat nur in 18 Prozent der Wahlkreise an. Die Islamisten verzichteten nach den Anschlägen vom 16. Mai in Casablanca, bei denen 45 Menschen ums Leben kamen, auf den ihnen sicheren Wahlsieg in weiten Teilen des Landes.

So stellte die PJD in ihren Hochburgen Tanger und Agadir keine Kandidaten zur Wahl. In Casablanca trat die PJD nur in acht von 16 Arrondissements an. Aber wo die gemäßigten Islamisten auf dem Wahlzettel standen, wurden sie stärkste Partei.

„Wir wollten die Regierung nicht verschrecken“, erklärt PJD-Generalsekretär Saad Eddine Othmani die Bescheidenheit seiner Partei. „Die PJD ist gestärkt aus der Tragödie hervorgegangen, trotz aller Versuche, uns für die Attentate vom 16. Mai mitverantwortlich zu machen. Wir machen heute keinem mehr Angst“, zeigt er sich zufrieden.

Die Regierungsparteien sehen das anders. Istiqlal und vor allem die Sozialisten warfen der PJD auch weiterhin vor, „intellektuelle Terroristen“ zu sein. Die Attacken auf die PJD seitens der beiden nichtreligiösen Parteien hören auch nach den Wahlen nicht auf. Die großen Zeitungen des Landes, die der Istiqlal und der USFP gehören, forderten in den letzten Tagen den direkt von König Mohammed VI. ernannten Innenminister auf, die Wahl von Belkura zum Bürgermeister von Meknes zu annullieren.

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