Volle Scheunen, aber leere Kassen

Die Ernte ist prächtig dieses Jahr, die Preise aber verfallen. Künast beruhigt: Bauern werden „Ölscheichs von morgen“

BERLIN taz ■ 2002 das Hochwasser, 2003 die Dürre – den Bauern hat das Wetter in den letzten beiden Jahren übel mitgespielt. 2004 ist das anders, und die Bauern dürfen landauf, landab endlich wieder einmal zufrieden mit der Ernte sein. Die grüne Bundesagrarministerin Renate Künast sprach gestern denn auch erfreut von „Spitzenerträgen“, als sie den Erntebericht 2004 vorstellte. Schließlich könnten auch „die Verbraucher mit stabilen Preisen bei Brot, Getreide und Gemüse rechnen“.

Dabei sah es im Mai und Juni noch gar nicht so rosig aus. Es war zu kühl und zu nass. Die Mähdrescher starteten verspätet. Dann aber fuhren sie die größte Menge Getreide seit Jahren ein: nach den vorläufigen Berechnungen der Statistiker in den Länderministerien 50,1 Millionen Tonnen. Im Vergleich zum Dürrejahr 2003 sind das bundesweit 30 Prozent mehr. Damals zahlte der Staat rund 72 Millionen Euro, um die Höfe zu retten, deren Existenz die mageren Erträge gefährdeten. Brandenburg und Sachsen hatten besonders gelitten, heute sind sie wieder obenauf. Das meiste Getreide wächst aber nach wie vor in Schleswig-Holstein. Und für alle, die sich häufiger mal fragen, was auf dem Getreideacker wächst: Zumeist sind es Weizen oder Wintergerste.

Die reichhaltige Ernte ist aber nicht nur ein Segen. Weil die Silos besonders voll sind, fielen nun die Preise, erklärte Künast. „Für Roggen, Gerste oder Weizen erhalten die Landwirte dieses Jahr voraussichtlich 15 Prozent weniger als im vorigen.“ Bei all der Statistik mache es übrigens keinen Unterschied, ob der Bauer ökologisch oder konventionell produziere. Die Bauern beklagen seit längerem einen „dramatischen Preisverfall“ – vor allem bei Milch, Geflügel und Eiern. Erst vor kurzem hatte der Bauernverband die Kette Aldi Nord wegen Dumping bei Eiern aus Bodenhaltung attackiert. Ein solches Ei kostet dort nur noch 6,9 Cent – in der Herstellung aber durchschnittlich 12 Cent.

Renate Künast erklärte gestern, womit die Bauern noch richtig Geld machen können: mit Energie vom Acker. Schon dieses Jahr würden die Bauern gut fünf Millionen Tonnen Raps ernten. Davon gehen nach Schätzungen 2,7 Millionen in die Biodieselproduktion. Genau so stellt sich Renate Künast die Agrarwende vor: „Bauern können die Ölscheichs von morgen werden“, sagt sie. Schon jetzt seien im Bioenergiesektor 50.000 Jobs geschaffen, 1,3 Milliarden Euro verdient und 1,5 Milliarden investiert worden.

Nicht zu vergessen: Auch die Pflaumen gedeihen dieses Jahr prächtig. Genauso Kirschen, Erdbeeren und Birnen. Dafür wird es allerdings weniger Äpfel geben. Die Winzer haben ein echtes Problem: Schwarzfäule. Der Pilz macht sich in den Steillagen an Mosel, Mittelrhein und Nahe breit und vernichtet die Trauben. HANNA GERSMANN

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