Landwirte vor dem Hitzetod

Wochen nach der großen Missernte warten die Bauern noch immer auf Entschädigungen der Länder. Doch auch wenn die zugesagten 72 Millionen Euro endlich kommen: Es wird nicht reichen. Vor allem Familienbetriebe bangen um ihre Existenz

aus Beeskow NICK REIMER

In einer Woche ist alles vorbei. „Wenn wir bis dahin nicht 15.000 Euro zahlen, holen sie uns den Traktor und drei andere Maschinen vom Hof“, sagt Marlis Blume, Geschäftsführerin eines bäuerlichen Familienbetriebes im Landkreis Oder-Spree. An eine Zahlung ist überhaupt nicht zu denken: Wegen der Dürre haben die Blumes 85 Prozent ihrer Ernte verloren. Hilfe? Keine in Sicht. Der einzige noch verbliebene Hof im Dorf steht vor dem Aus.

„Es geht darum, Bauern vor der Insolvenz zu retten“, hatte Bundesagrarministerin Renate Künast Ende August verkündet. Vergangene Woche hatte sie eine Zahl genannt: 72 Millionen Euro sollen jenen Landwirten zu Gute kommen, die mehr als 30 Prozent ihrer Ernte eingebüßt haben. Passiert ist bislang nichts.

„Mich macht das wütend“, sagt Max Krüger, Leiter des Agraramtes des Landkreises Oder-Spree. Täglich wenden sich Bauern wie die Blumes an sein Amt. „Bislang gibt es nichts Konkretes“, sagt Krüger. Zwar habe das Landesagrarministerium Anfang September die Amtsleiter nach Potsdam geladen. „Mehr als ein Stimmungsbild kam aber nicht raus.“

Vielleicht ändert sich das ja morgen in Rostock auf der Agrarministerkonferenz, zu der übermorgen auch Künast dazustößt. Dort wird wohl auch die „Verwaltungsvereinbarung Dürreschäden“ Thema sein. „Diese Vereinbarung liegt den Ländern längst vor“, sagt Künasts Sprecherin. Zwar müsse Brüssel das Papier noch genehmigen. „Trotzdem hätten die Länder schon anfangen können, Vorbereitungen zu treffen. Formulare zu drucken, diese weiterzuleiten.“

„Es geht hier um ein bisschen mehr als nur ums Formularedrucken“, kontert Jens-Uwe Schade, Sprecher des Brandenburger Agrarministeriums. Über 75 Prozent aller Betriebe sind hier von Dürre schwer betroffen. „Trotzdem feilschen wir bis heute, ob der Bund nun 10 Millionen oder 15 Millionen beisteuert.“ Über Wasser hält sich der Hof Blume derzeit mit dem Kartoffelverkauf. „Für Kartoffeln war der Sommer ideal“, sagt Gerd Blume. Dummerweise hat Blume nur 1 Hektar Kartoffeln angebaut. „Im letzten Jahr hatten wir viel Pech mit den Knollen. Es war einfach zu feucht.“

Der Sommer, der seit gestern vorbei ist, war dagegen der heißeste seit Beginn der Messungen. Im Schnitt waren es tagsüber 3,4 Grad mehr als normal – gleichzeitig regnete es nur halb so viel. Am trockensten war es im östlichsten Zipfel Deutschlands, in Görlitz, wo es in einem Sommermonat gar nur vier Prozent der üblichen Menge regnete.

Entsprechend mager war die Ernte im Osten. „Die meisten Bauern pflügen hier nicht mehr, weil das zu teuer ist“, sagt Gerd Blume. 20 Liter Diesel muss er pro Hektar kalkulieren. Macht bei 400 Hektar und einem Dieselpreis von 80 Cent 6.400 Euro. Aber solche Rechnungen kann sich Blume demnächst sparen. Er hat ja bald keinen Traktor mehr.

Dabei müsste Blume jetzt eigentlich das Wintergetreide aussäen – falls er im nächsten Jahr was ernten will. „Wir haben diesmal bewusst nicht gesagt, dass vermieden werden muss, dass Landwirte wegen der Dürre aufgeben“, sagt der Sprecher des Brandenburger Argrarministeriums, Schade. „Das wäre nicht haltbar.“ Ohnehin seien die Dürrehilfen nur Investitionshilfen für die Wintersaat. „Insgesamt belaufen sich die Ernteausfälle in Brandenburg auf 250 Millionen Euro“, rechnet Schade vor. „Diese Verluste bleiben im Portemonnaie der Bauern.“