Seehofer hat schon wieder Recht behalten

Der CSU-Gesundheitsexperte bringt Angela Merkels Projekte in Gefahr. Deshalb dringend gesucht: CDU-Experten

BERLIN taz ■ Er hat mal wieder Recht behalten. Horst Seehofer war von Anfang gegen eine Zusatzversicherung für den Zahnersatz. Nun fällt sie tatsächlich wieder weg, diese Pauschale, weil unbeliebt und viel zu bürokratisch. Das hatte er, der Gesundheitsfachmann, schon vor einem Jahr vorausgesehen. Und laut gesagt. Auch damals, als es in der Union noch niemand hören wollte. Weil es der gemeinsam beschlossenen Linie widersprach.

Seehofer hat das nicht gestört. Er blieb bei seiner Linie. Und es gibt viele in der Union, die so was stört. Ein Besserwisser sei er, heißt es, selbst wenn Seehofer, wie beim Zahnersatz, am Ende Recht behält. Es gilt deshalb noch keineswegs als ausgemacht, dass Seehofer wieder in sein altes Amt zurückkehrt, dass er Gesundheitsminister wird, 2006.

Unzuverlässig, illoyal und egoistisch sei er, schimpfen Christdemokraten in Berlin über den christsozialen Eigenbrötler aus dem Süden. Auch daheim in Bayern, bei der CSU, schütteln manche nur noch den Kopf, wenn sie auf ihren Vize angesprochen werden. „Tut mir Leid, aber ich versteh den Horst nicht mehr“, entfuhr es CSU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Ramsauer vor ein paar Wochen, als Seehofer die Klausurtagung der bayerischen Bundestagsabgeordneten im Kloster Banz einfach schwänzte. Und das als Vize!

Seehofer hatte, wieder einmal, Wichtigeres zu tun, als bei den Parteifreunden in der Provinz zu erscheinen. Er weilte zur selben Zeit in der Hauptstadt, natürlich bei einem Gesundheitspolitikkongress. Unter seinesgleichen. Unter den Experten, den Lauterbachs und Rürups.

Das ist es, was seine Gegner in der Union zur Weißglut treibt und geradezu verzweifeln lässt: Der Mann ist zwar alles andere als kollegial, aber – wer sollte das bestreiten? – kompetent. So kompetent, dass die CDU bislang niemand gefunden hat, der es mit ihm aufnehmen könnte in der Gesundheitspolitik. Andreas Storm oder Annette Widmann-Mauz, die fachpolitischen Sprecher der CDU? Da müssen selbst Parteifreunde lachen.

Das ist nicht nur ein persönliches Problem der beiden. Das ist ein politisches Problem für Angela Merkel. Denn Seehofer bekämpfte ja nicht nur die Minikopfpauschale für den Zahnersatz, er bekämpft ihr ganzes Kopfpauschalenkonzept.

Also sucht Merkel schon lange jemand, der Seehofer Paroli bieten kann, wenn er, wieder einmal, gegen die „unsoziale“ Politik der CDU zu Felde zieht. Nun bietet sich jemand Eloquentes an. Es dürfte kein Zufall sein, dass sich die niedersächsische CDU-Sozialministerin Ursula von der Leyen gerade verstärkt zu Wort gemeldet hat. Die 7fache Mutter bewies ein gutes Gespür für Timing. Rechtzeitig, vor ein paar Tagen, rückte von der Leyen von der Zahnersatzpauschale ab. Als Erste in der CDU. Aber insgesamt, und das ist wichtiger für Merkel, ist sie auf Kopfpauschalen-Linie. LUKAS WALLRAFF