die steile these
: Haltet den Dieb!

Neuerdings kündigt der Einzelhandel seinen Angestellten wegen Bagatelldelikten und offenbart damit: In der Krise sind Arbeitskräfte noch leichter zu ersetzen.

Erst fliegt eine Kassiererin raus, weil sie Pfandbons im Wert von 1,30 Euro einsteckte. Jetzt hätten zwei Bäcker beinahe ihren Job verloren, weil sie sich bei der Arbeit ein selbst mitgebrachtes Brötchen mit dem firmeneigenen Aufstrich beschmierten. Diebstahl! Allein ein Formfehler hat ihnen vorerst den Job gerettet: Der Betriebsrat hatte der fristlosen Kündigung nicht zugestimmt. Andernfalls wäre sie wohl genauso gerechtfertigt gewesen wie die der Kassierin. Schon durch einen geringfügigen Diebstahl entstehe ein „irreparabler Vertrauensverlust“ für den Arbeitgeber, entschied das Landgericht Berlin-Brandenburg in seinem womöglich wegweisenden Urteil.

Dabei hatten die Männer schon ihre eigenen Brötchen mit zur Arbeit gebracht. Das allein ist schon löblich, denn schließlich arbeiten die beiden just in einer Bäckerei. Andere hätten sich einfach eine Schrippe aus der Auslage genommen. Jedenfalls verfeinerten die beiden ihre Brötchen mit einem Klecks „Kräuter-Öl-Aufstrich“ im Wert von 50 Cent aus dem Eigentum der Bäckerei – ohne zu fragen! Daraufhin wurde ihnen fristlos gekündigt.

Das eigentlich Bestürzende ist die Hysterie, die hinter diesen Fällen steckt. Jeder, wirklich jeder hat so etwas schon mal gemacht: ein privates Telefonat geführt, einen Brief durch die Frankiermaschine gejagt, einen Stift mitgenommen. Früher hätte wegen einer solchen Lappalie niemand seinen Job verloren.

Doch neuerdings, in Zeiten, in denen Banker mit ihrem eigennützigen Verhalten die gesamte Weltwirtschaft in die Krise stürzen, werden unterschlagene Minimalbeträge plötzlich zum „ irreparablen Vertrauensverlust“. Bisher hat noch kein Banker seinen Job wegen des von ihm verursachten „irreparablen Vertrauensverlusts“ in eine gesamte Branche verloren. Gott bewahre. Stattdessen werden die Exempel am unteren Ende der Beschäftigungskette statuiert. Wenn die Krise erst zu Massenentlassungen führt, wird man sich dort nämlich vor neuen, (über-)qualifizierten BewerberInnen nicht mehr retten können. MAHA