Wildnis in ständigem Wandel

Im Kölner Norden erstreckt sich auf 170 Hektar ein Naturschutzgebiet mit besonderem Ambiente. Abwechselnd feucht und trocken – das Worringer Bruch ist ein Paradies für Pflanzen und Tiere

Von Christiane Martin

Beim Betrachten des Stadtplans sticht es sofort ins Auge, das hufeisenförmige Waldstück im Kölner Norden. Es sieht aus wie von einem modernen Architekten am Reißbrett entworfen. In Wirklichkeit ist das „Worringer Bruch“ aber ganz natürlich entstanden, und seine ungewöhnliche Form verdankt es dem Rhein.

Vor 8.000 Jahren floss der breite Fluss hier noch in großen, schön geschwungenen Schleifen und verlegte sein Bett mal nach links, mal nach rechts. Dabei hat er eine der Fluss-Schleifen abgeschnitten, als sumpfiger Altrheinarm liegt sie nun mitten in den Feldern zwischen Worringen und Blumenberg. Als landwirtschaftliche Fläche und zur Bebauung ungeeignet, blieb die feuchte Brache relativ unberührt.

Eine Wildnis mit beeindruckender Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten konnte sich deshalb im 170 Hektar großen Worringer Bruch entwickeln. „Die Nachtigall, der Pirol und weitere 50 Vogelarten haben hier ihre Heimat“, beschreibt Stadtförster Michael Hundt diesen Teil seines Reviers.

Kamm-Molche fänden sich nirgendwo in Europa so häufig wie im Worringer Bruch. Und auch die Erdkröte sei hier zu Hause neben über 1.000 Käferarten, Fledermäusen, Schwertlilien, Erlen und Eschen, setzt der 36-Jährige die Liste der Flora und Fauna fort. Schwankende Grundwasserstände beeinflussen das Gebiet und haben zu einem natürlichen Nebeneinander verschiedenster Biotope geführt.

Verlässt der Rhein heutzutage sein Bett und überschwemmt mit Hochwasser seine Auen, hat das auf das Worringer Bruch keinen direkten Einfluss mehr. Denn aufgrund des Deiches erreicht das Rheinhochwasser das Gebiet nicht mehr oberirdisch. Über steigende und wieder sinkende Grundwasserspiegel hat der Rhein aber immer noch Einfluss und sorgt für die stark schwankenden Wasserstände. Bizarre Formationen bilden sich so im Worringer Bruch. Ehemaliger Auwald wird zu offenen Wasserflächen mit abgeknickten und toten Bäumen, die später wieder verlanden und mit Schilf überwuchern – stetiger Wandel unter natürlichem Regiment.

„Ganz ohne menschlichen Einfluss war und ist das Worringer Bruch allerdings nicht“, weiß der Förster. Seine Vorgänger bei der städtischen Forstverwaltung hatten Ende der 70er Jahre begonnen, das damals gerade relativ trockene Gebiet mit Pappeln aufzuforsten und als Erholungsgebiet zu erschließen, indem sie Wege anlegten.

Später erkannte man die Bedeutung des ständigen Wandels, stellte das Worringer Bruch 1986 unter Naturschutz und greift nun nur noch regulierend ein. „Wir entfernen die Pappeln aus den Randbereichen und ersetzen sie durch standortgerechtere Bäume“, sagt Hundt. Auch habe man einige Wege inzwischen gesperrt, weil brütende Vögel durch Spaziergänger gestört und vertrieben werden könnten.

Dabei stößt er aber nicht immer auf das Verständnis der Anwohner, die weiterhin auf altbekannten Pfaden durch „ihren“ Wald streifen wollen. Naturschutz sei hier schwer vereinbar mit der Erholungsfunktion, die solch ein naturbelassenes Gebiet in einer dicht besiedelten Gegend hat. „Man darf die Menschen nicht gänzlich ausschließen“, erklärt der Forstmann. Eine seiner Aufgaben sei deshalb die Umweltbildung; regelmäßig zeigt er Interessierten, die an einer Führung teilnehmen, die geheimen Kostbarkeiten seines Worringer Bruchs.

Informationen im Internet unter: www.stadt-koeln.de