Das Gift aus dem Hahn

Blei-Wasserleitungen werden laut Stiftung Warentest vor allem im Norden noch verwendet

von Eiken Bruhn

Die Bundesländer Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein haben außer der taz nord noch etwas gemeinsam: Blei im Trinkwasser. Laut einer am Freitag von der Stiftung Warentest veröffentlichten Studie ist die Wahrscheinlichkeit, mit Blei belastetes Wasser zu trinken, in diesen Ländern besonders hoch. Über zehn Jahre analysierte die Stiftung von Bürgern eingesandte Proben, vergleichbar hohe Werte stellten die Warentester nur im Osten, in Frankfurt und im Großraum Bonn fest.

Einer der Gründe, heißt es in der Studie, sei, dass im süddeutschen Raum bereits seit 1878 keine Bleileitungen zur Trinkwasserversorgung verlegt werden. Im Rest Deutschlands wurde erst 1973 verboten, in Neubauten Blei zu verwenden, da der Stoff vor allem für Kinder und Säuglinge giftig ist. Auch in Altbauten müssen Vermieter die Leitungen durch ungiftige Metalle ersetzen, sofern sie wissen, was sich in ihren Häusern befindet.

Besonders viele Wasserproben wurden in Hamburg und Bremen positiv getestet: Etwa zehn Prozent zeigten verbleites Wasser. Kein Wunder, sagt Sabine Luther vom Bremer Gesundheitsamt, „in Städten ist der Anteil von Altbauten sehr hoch.“ Außerdem vermutet sie, dass aus den belasteten Gebieten besonders viele Leute Proben bei der Stiftung Warentest eingesandt hätten, weil sie von den Gesundheitsbehörden durch Flugblätter und Informationsveranstaltungen darauf aufmerksam gemacht worden seien.

Gewarnt werden vor allem Schwangere und Eltern kleiner Kinder. „Bei Kindern wird das Zentralnervensystem angegriffen, es kommt zu Entwicklungsverzögerungen und Intelligenzminderung“, schildert Birger Heinzow, Umweltmediziner des schleswig-holsteinischen Landesamtes für Gesundheit, die Folgen von Bleivergiftungen. „Viele Kinder werden zappelig oder sie haben chronische Verstopfung.“ Aber auch für Erwachsene sind die unerwünschten Nebenwirkungen gravierend: Wie Kinder leiden sie unter Blutarmut, es kommt zu Nervenschäden, im schlimmsten Fall zu Lähmungen. Und wer einmal Blei im Körper hat – das sich in den Knochen ablagert –, wird es so schnell nicht wieder los. „Das dauert sehr lange“, sagt der Toxikologe Heinzow. Fasten würde gar nichts bringen und Medikamente seien nur bei einer akuten Vergiftung sinnvoll.

Deshalb raten Mediziner und Behörden dringend dazu, die Wasserleitungen zu überprüfen. Im Zweifelsfall bringt eine Wasserprobe Klarheit. Doch die kostet: 20 bis 30 Euro nehmen Labore für die Untersuchung, auch die Stiftung Warentest ist mit 26 Euro nicht billiger. Zahlen müsse letztendlich der Hauseigentümer, da dieser für das Trinkwasser verantwortlich sei, sagt Siegmund Shychla, Geschäftsführer des Hamburger Mietervereins. Allerdings müsse der Vermieter zuerst aufgefordert werden, bis zu einer gesetzten Frist das Wasser zu überprüfen. Erst wenn diese nicht eingehalten werde, könne der Mieter selbst eine Wasserprobe einreichen und anschließend die Kosten von der Miete abziehen. „Wenn man nichts feststellt, hat man allerdings Pech gehabt“, so Shychla. Darüberhinaus sei Blei im Wasser ein Mietminderungsgrund. Fünf bis zehn Prozent weniger Miete könnten veranschlagt werden, es sei denn, die Belastung ist so hoch, dass schon vom Duschen abgeraten werden muss.